Anarielle Sonnensang streichelte ihren Bauch. Sie war im sechsten Monat, ohne zu wissen ob das Kind ein Junge oder ein Mädchen wird. Ihr bisher einzigster Sohn war bereits mit ersten Vorzeichen behaftet. Sicherlich würde aus ihm ein meisterhafter Zauberer werden.
Sie sah in einiger Entfernung zu einer Schmiede, in der ein kräftiger Mann angestrengt schuftete. Bereits seit Stunden war er dort am arbeiten, und bereits seit Stunden sah Anarielle ihm dabei zu. Zwei besondere Schwerter würden daraus entstehen, eigens für die Familie Sonnensang hergestellt. Mit der Empfängnis des zweiten Kindes wurde Anarielle mit der Idee infiziert ein Erbstück zu besitzen, welches Geschichte der Familie weitertrug.
Sie hätte eigentlich ein Buch geschrieben, aber Fangrarin, ihr Gefährte, hatte darauf bestanden etwas völlig außergewöhnliches zu machen. Zwei Schwerter geschaffen mit Magie, in denen das Wissen der Familie schlummert. Diese würden von Generation zu Generation weitergegeben werden.
Der Schmied beendete seine Arbeit so wie es schien. Er hob mit der Zange zwei kleine Griffe vom Amboss, und frachtete sie in eine Schatulle. Mit erschöpften Schritten von der vielen Arbeit trat er zu der schwangeren Magierin.
„Sie sind fertig, Milady. Lasst euch mit dem prägen noch etwas Zeit, damit sie nicht verformen.“
„Danke mein Herr.“
Anarielle legte einen dicken Goldbeutel in die Hand des Schmieds. Von den Münzen die darin schlummerten konnte eine ganze Familie mehrere Wochen lang leben. Dass soviel Gold für ein Erbstück geopfert wurde war beinahe schon ein Schlag ins Gesicht für die Ärmeren.
Der Schmied nahm den Beutel, und reichte ihr im Gegenzug die Schatulle. Sie wiegte nicht viel, was sicherlich so gewollt war. Fangrarin würde diese Schwerter sicherlich mit Freude ausprobieren. Er war eben ein typischer Waldläufer.
Sie streichelte wieder ihren Bauch, als sie sich abwandte um nach Hause zurückzukehren durch die sternklare Nacht.
Leise wisperte sie.
„Und in ferner Zukunft wirst du diese Schwerter in Händen halten, mein Kind.“
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Etwa 145 Jahre später.
Die Eisklingen krachten auf das schwere Runenschwert von Demour.
„Dumm von dir, Cheinesse Sonnensang. Aber ich sagte du würdest zurückkehren.“
Mit Wucht stieß sich Cheida von dem Verlassenen ab, und ließ in einer kreisenden Bewegung erneut die Klingen sprechen. Der Pier von Neu Avalon war schon lange unbenutzt und verwaist. Dass er nun wieder in der Flamme der Aufmerksamkeit stand war beinahe schon ein Wunder. Ein solch kräftiges Duell zwischen Elfe und Verlassenem hatte er wohl nicht mehr erwartet.
Erandon hatte damit gerechnet. Sie hatte sich wie erwartet leicht locken lassen. Von Lavyria, von seinen Worten, von Vleits erwartetem Nichtstun.
Alles war nach Plan gelaufen.
Die Elfe wehrte sich erstaunlich stark gegen das Unausweichliche. Woher sie diesen Willen nahm konnte sich Erandon nicht beantworten. Vielleicht war da doch noch ein Funke Hoffnung auf Heilung.
Wieder krachten die Klingen aufeinander, und wieder gewann die unheilige Kraft Demours gegen die der Elfe. Sie wich zurück, dabei immer näher dem Meer kommend.
„Gib auf, Sonnensang. Hier endet es wie es begann.“
„Nicht solange ich stehe!“
Wieder griff Cheida an. Ein weiterer närrischer Versuch den Plan zu sprengen. Diesmal hatte Erandon keine Geduld mehr für den Willen der Elfe. Er hob sein Schwert im rechten Augenblick und ließ den Angriff kommen. Just als die Waffen sich fanden riss er seinen Zweihänder nach unten, und brachte die Elfe aus dem Gleichgewicht.
Mit einem schnellen Schwung entwaffnete er die Blonde Elfe. Die Waffen flogen außerhalb der Reichweite auf das Holz des Piers.
„Du stehst jetzt ohne Waffen dort. Sicher dass du dich nicht hinlegen willst?“
Die Elfe wich nicht zurück. Erstaunlich was in den Monaten entstand, in denen ihr das Leben geschenkt wurde. Beinahe so, als wäre sie nie gestorben. Sie drehte sich um und sah zum Horizont, der in der Abendsonne erleuchtete. Tief atmete sie durch.
„Deine Gefühle sind… Illusion.“
Mit diesen Worten schlug Erandon der Elfe gegen den Hinterkopf. Gerade soviel Wucht steckte dahinter, dass sie zusammenbrach und sich nicht mehr regte.
„Es wird Zeit, wieder zur Normalität zurückzukehren.“
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Alles war dunkel.
Cheida konnte sich nicht rühren. Die Arme und Beine waren wie taub. Sie spürte keinen Teil ihres Körpers, wenn man es genau nahm. Dazu kam diese aufdrängende Müdigkeit, die ihre Augen beinahe zufielen ließ.
Waren sie überhaupt offen?
Eine dunkle Stimme erklang.
Du warst ein Experiment, Cheinesse Sonnensang.
Du hast dich täuschen lassen. Die Blutritter von Silbermond waren nichts weiter als Werkzeuge in diesem Plan. Dein erneuter Tod, genauso wie deine Wiederbelebung… Ein Szenario. Und bevor du Hass aufbaust, Londarian und Heliana hatten keine Ahnung. Genauso wie Vleit und Lavyria unwissend waren.
„Warum ich?“
Deine Geschichte ist geprägt von genau dem, was einen Todesritter ausmacht. Hass, Verzweiflung und Kraft. Du warst das ideale Versuchsobjekt.
Deine Wiederbelebung war ein durchgeplanter Vorgang. Der Dolch Helianas, der dein Herz durchstieß um es mit Licht zu fluten war von mir präpariert. Dein Leben war niemals auf lange Zeit angelegt. Ich hoffe, du hast es genossen. Denn es war ein Fehlschlag.
„Inwiefern?“
Die Frage, ob ein Todesritter wieder leben kann. Die hat mich angetrieben. Und es ist nicht so. Die Rückstände sind zu ausgeprägt. Auch wenn das alles ein Versuch war, so darfst du dich doch glücklich schätzen. Du hattest eine Zeit unter den normalen Lebenden. Diese Rückstände des Untodes hätten dich oftmals beinahe umgebracht. Und nun haben sie dich zu mir zurückgeführt.
Die Auswirkungen die der Untod mit sich bringt kann das Leben nicht beseitigen. Gefühlskälte, Verzweiflung und der immer brennende Hass… Tief im inneren waren sie da, oder? Ein einfaches Schloss kann sie nicht aufhalten. Jedenfalls nicht auf Dauer.
„Warum darf ich es mir nicht aussuchen, ob ich nun sterbe oder zurückkehre?“
Nach einem fehlgeschlagenen Experiment wird entweder alles verändert, oder gar nichts. Ich habe nicht vor alles zu verändern. Alles wird so sein, wie es sein soll. Deine Zeit als Lebende ist abgelaufen.
„War alles nur Illusion, so wie ihr sagtet?“
Ich konnte niemals genau in dich hineinsehen. Ich weiß nicht ob du je wirklich geliebt hast, oder nicht. Ob du je gefreut hast, wie eine Lebende. Diese Frage wirst du dir selbst beantworten müssen wenn dir später noch daran liegt.
„Ich will aber nicht wieder…“
Es ist nicht so, dass du eine Wahl hättest. Ich werde alles in den Normalzustand zurückversetzen. Und wenn du so willst wirst du meinen Platz einnehmen in der Normalität.
Cheida spürte etwas kaltes, welches sich um ihre Handgelenke legte.
Alles was ich bin, werde ich dir verleihen. Du wirst meine Gedanken kennen, die dich betrafen. Du wirst mich kennen, so wie ich dich kenne. Du wirst wiedergeboren werden als etwas Neues. Wir beide vereint.
„Was wird dann passieren, wenn wir hier fertig sind?“
Das entscheidest allein du. Mein Plan endet hier. Ich kehre in die Dunkelheit zurück aus der ich kam, und komme erst zurück wenn ein neuer bereit ist. Du bist frei, mit der Perfektion zu kooperieren.
„Und wie würde das aussehen?“
Erschaffe deinen eigenen Plan.
Ein unangenehmes Gefühl machte sich breit. Wie als wollte ihre Brust verbrennen. Dann legte sich eine eiskalte Hand um ihr Herz, und schien es zu gefrieren. Die Elfe schrie ihre Pein heraus, als ihr Herz langsam aufhörte zu schlagen.
Das Herz schlug immer langsamer.
Und kurz bevor der letzte Schlag einsetzte erklang noch einmal die dunkle Stimme Demours. Beinahe einschläfernd wirkte sie.
Erwache, Melvelith.
Der letzte Herzschlag fuhr wie ein Hammerschlag durch die Elfe.