25 Jahre nach Öffnung des dunklen Portals...
Erandon wachte schlagartig aus dem Schlaf auf. Er hörte Schreie und Kampfeslärm. Aryselle, seine Frau, saß wie er kerzengerade im Bett. Sie sahen sich an.
"Was passiert hier?"
Normalerweise war es in dieser Gegend um Lordaeron sehr ruhig. Die nächste Stadt Andorhal lag etwas entfernt, und man kannte die drei nächsten Bauern. Erandon und seine Frau führten einen kleinen Stall, und lebten in einem kleinen Häuschen mit ihrer Tochter Feralla. Die Ruhe wurde nun entscheidend gestört.
"Ary, nimm die Kleine und pack alles zusammen was ihr braucht. Ich nehme die Flinte."
Verstehend nickte Aryselle, Erandons bezauberndes Weib. Seit nunmehr fünfzehn Jahren waren sie verheiratet. Es war eine gute Zeit gewesen. Ihr König Terenas war gut zu seinem Volk gewesen, bis er von seinem eigenen Sohn getötet wurde. Das Land war gerade dabei, wieder eine politische Ordnung zu schaffen. Arthas ist untergetaucht. Kurz dachte Erandon, dass die Geißel einfach verschwunden ist.
Scheint als hätte er sich getäuscht.
Er stieg aus dem Bett, und griff darunter. Eine alte Flinte zog er heraus. Ein Geschenk von seinem Vater. Damit ging er sonst immer jagen. Er suchte nach dem kleinen Beutel Kugeln. 54 waren darin.
54 Untote würden heute befreit werden. Er stieg in seine Stiefel, und eilte die Treppe herunter. Als er die Haustür aufriss sah er ein schreckliches Bild. Die Höfe brannten, wenige Überlebende rannten durch die Wälder, gejagt von den Ghulen und Monstrositäten der Geißel. Erandon konnte sie nicht genau zählen. Das mussten hunderte sein. Er lud die ersten Kugeln in die Flinte, und begann zu schießen.
Ein Ghul nach dem anderen fiel. Auf die größeren wagte Erandon gar nicht zu schießen. Sie würden ihn bemerken, ohne zu sterben und das musste er verhindern. Er musste seiner Familie Zeit verschaffen. Die nächste Ladung Munition verschwand in der Flinte. Der Stallmeister zielte gut. Er traf immer, und jeder Untote der es wagte sich dem Haus zu nähern brach zusammen. Doch es wurden immer mehr. Ganz im Gegensatz zu seinen Kugeln. Er warf einen raschen Blick auf den Beutel. Noch zwanzig...
Erandon konzentrierte sich weiter. Kugel um Kugel fand ihr Ziel. Bis die Wellen aus Abschaum auf einmal aufhörten. Man sah, und hörte nichts mehr aus dem Wald. Die Pferde im Stall waren längst ausgerissen. Schnell sah Erandon Demour sich nochmals um, und trat dann ins Haus zurück. Die Tür verriegelte er.
Frau und Tochter saßen aneinandergedrückt auf dem Bett. Sie waren todblass und zitterten vor Angst. Erandon hatte es schwer, nachzudenken bei all dem Chaos.
"Wir klettern in den Minenschacht von Herdweiler. In der Festung dort sind wir sicher."
Keine Antwort kam, nur ein Nicken. In der Küche war eine Falltür. Bevor der Stall gebaut wurde, war dies die Hütte von Bergbauern gewesen, die einen schnellen Zugang zu ihren Schächten gebaut hatten. Das Haus war nach dem Ableben des letzten Bergmanns spottbillig gewesen, da die Schächte als instabil galten.
Das Haus stand nun seit zehn Jahren immer noch, und Erandon musste bei dem Gedanken sonst immer schmunzeln. Nur jetzt nicht. Er und seine Familie stiegen in den dunklen Schacht. Es war nass, und man konnte die Hand vor Augen nicht sehen. Zum Glück ging es nur fast geradeaus. Sie atmeten alle durch. Die Ruhe war wie eine Erlösung für die letzte Zeit. Vor zwanzig Minuten hatten sie alle noch ruhig geschlafen.
Gerade wollten sie sich etwas entspannen, und dafür stehenbleiben als es hinter ihnen krachte. Die Untoten hatten den Schacht gefunden. Die Familie Demour rannte sich die Seele aus dem Leib. Hinter ihnen gurgelnde, gesabberte Geräusche. Es dauerte noch zu lange. Erandon wusste das.
Er blieb neben einem Stützbalken stehen. Der Gedanke packte ihn. Frau und Kind rannten noch einige Schritte weiter, bis sie sein Fehlen bemerkten.
"Erandon! Was tust du da?!"
Der Stallmeister sah in die Richtung seiner Familie. Er konnte sie durch die Dunkelheit nicht sehen. Vielleicht war das auch besser so. Seine Erinnerung an die glückliche Familie würde gewahrt bleiben.
Die Untoten kamen geräuschvoll näher. Erandon fasste sich ein Herz, und schlug mehrere Male mit der Flinte auf den Balken ein. Nach endlos erscheinenden Schlägen gab er endlich nach. Ein Teil des Schachts stürzte ein. Begrub ihn, und schützte seine Familie vor den Untoten.
Er wusste nicht wie lange er ohnmächtig war. Irgendwann wachte er auf, und musste sich erst fragen ob er die Augen geöffnet hatte. Es war nach wie vor dunkel. Dann hörte er die Stimmen. Seine Familie. Sie riefen nach ihm. Er wollte sich erheben, konnte es aber nicht. Er steckte fest. Sein ganzer Körper war wie betäubt vor Schmerz. Dann hörte er es. Das schaufeln. Die Untoten hatten nicht aufgegeben. Erandon erhob seine Stimme.
"Lauft! Mir geht's gut! Lauft weiter! Wir treffen uns in Herdweiler!"
Stille. Gespannte Stille. Dann hörte er die schnellen Schritte. Sie rannten weiter. Erleichtert atmete Erandon aus. Er hatte es geschafft, wenn auch mit einer Lüge. Nun konnte es ihm egal sein, was die Untoten mit ihm tun würden wenn sie ihn fanden. Er hatte seine Familie gerettet.
Und Erandon wurde schwarz vor Augen.
Es war am frühen morgen gewesen. Lavyria hatte wie immer in der Küche ihres kleinen Häuschens am Elrendar gestanden, und das Frühstück vorbereitet für sich und ihre Familie. Ihr Gefährte Alwaros war Schmied. Er brauchte etwas kräftiges im Magen für sein Handwerk. Und Alivyl konnte fressen wie ein Falkenschreiter, wenn man ihr genug gab.
Dann ging alles schnell. Alwaros stürmte herein, und in seine Werkstatt. Das machte er öfter, wenn er seine Preisliste vergessen hatte oder sonstiges. Aber sonst hatte er wenigstens Zeit für ein kurzes Grinsen. Diesmal nicht. Er kehrte mit seinem Schwert wieder, und war bereits auf halbem Wege heraus, als er stehen blieb. Er schien doch bemerkt zu haben dass sein treues Weib noch da war.
"Hinterausgang, Alivyl. Schnell!"
Die kurze Ansage hatte genug gesagt. Lavyria ließ alles stehen und liegen, und rannte in das Zimmer ihrer Tochter. Sie war ein Mädchen in der Reife. Man konnte stolz auf sie sein, sie war fleißig und gebildet. Aus ihr würde eine Magistrix werden. Lavyria hob Alivyl aus dem Bett, ohne groß etwas zu sagen und machte sich auf zum Hinterausgang. Nun hatte auch Mutter Blutfeder gehört, was Alwaros so dringlich schien. Der Kampfeslärm, und die unnatürlichen Schreie.
Lavyria hatte schon von den Untoten in den Menschenlanden gehört, diesen Nachrichten allerdings wenig Beachtung entgegengebracht. Wer könnte schon die magischen Mauern von Quel'Thalas stürmen? Anscheinend hatten sie sich alle geirrt.
Nun waren sie auf der Flucht. Alwaros gab ihnen Deckung vor jedem Ghul der sich in ihre Nähe wagte. Lavyria trug die Tochter. Alivyl war brav ruhig, aber man sah die Angst in ihren klaren blauen Augen. Wie lange sie rannten wusste Lavyria schon nicht mehr. Aber ihr Atem würde reichen. Er musste reichen.
Alwaros war ein guter Schwertkämpfer. Er hatte keine Probleme mit den niederen Geißeldienern. Der Schwertkampf war eine Kunst, die Lavyria nie verstanden hatte. Sie konnte diese ganzen Bewegungen und Schritte nicht. Ihr Gefährte hatte versucht es ihr beizubringen, aber dabei stellte sie sich so dämlich an, dass sie es schnell dabei belassen hatten.
Umso plötzlicher kam es dann, als Alwaros stürzte. Er wand sich auf dem Boden. Das Gras um ihn verwelkte. Ein Mensch kam näher. Totenblass, und in einer schwarzen Kutte. Lavyria drehte sich um, legte die Tochter in sicherer Entfernung ab und rannte zu ihrem Liebsten, doch als sie bei ihm ankam war es zu spät. Blass, gekrümmt vor Schmerzen und das Leid ins Gesicht geschrieben lag er da. Tot.
Der Mensch lachte grausig, und hob die Hand erst gen Lavyria, dann in Richtung Alivyls. Das war genug. Voll Wut, Trauer und Hass nahm Lavyria das Schwert aus den toten Händen Alwaros', und schlug auf den Menschen ein. Er murmelte etwas, seine Finger zuckten kurz, dann wurde er getroffen. Einmal, zweimal, dreimal... Lavyria hörte auf zu zählen. Sie schlug so oft auf den Menschen ein, bis er mehr an einen Haufen Fleisch erinnerte als an ein humanoides Wesen.
Es brauchte viel Mühe, den Leichnam ihres Gefährten liegen zu lassen. Doch sie hatte keine Zeit dafür. Mit dem Schwert in der Hand taumelte sie zurück. Die Flüchtenden um sie herum nahmen keine Notiz von ihr, ebensowenig wie die Untoten. Als sie zu ihrer Tochter zurückkehrte, merkte sie wieso die Untoten sie ignorierten. Eine verloren geglaubte Freundin stand neben ihrer Tochter, verteidigte sie so verbissen dass sich kaum noch jemand in ihre Nähe wagte.
"Cheida?!"
"Keine Zeit jetzt, nimm deine Tochter und verschwinde!"
Lavyria tat wie befohlen. Sie steckte das Schwert provisorisch in den Gürtel, nahm die Tochter und rannte weiter. Sie ließ Cheida zurück, ohne sich umzusehen. Es hätte eh nichts gebracht. Alivyl war kalt. Eiskalt. Immer wieder sah Lavyria besorgt auf das Mädchen in ihren Armen. Sie atmete, wenn auch schwer.
Erst eine halbe Ewigkeit später fanden sie Zuflucht in einem versteckten Hain des Waldes. Lavyria hatte ihn vor langer langer Zeit mit Cheida gefunden, und hier gespielt. Nun diente er als Versteck vor den Untoten. Lavyria legte ihre Tochter ab, das Schwert daneben, und prüfte Alivyls Körper. Von der Temperatur war sie tot, doch sie atmete. Die Augen starrten nach oben.
"Alivyl, du musst mit mir sprechen! Was ist mit dir?"
"Mir ist kalt, Mutter. Ich sehe ganz viele Lichter. Sind das Geister?"
Nun wurde sogar Lavyria etwas blass.
"Nein, das sind keine Geister, Liebes. Halt still, bitte."
Lavyria war Heilerin. Stets gut in dem, was sie tat und immer bemüht das beste zu tun. Auch diesmal würde es gehen. Sie legte die Hände auf die Brust von Alivyl, und schloss die Augen zum Gebet. Sie murmelte ein Gebet.
Nichts geschah.
"Mama... Sterbe ich jetzt?"
"Sag sowas nicht! Du wirst nicht sterben!"
Lavyria probierte es wieder. Wieder geschah nichts. Verzweiflung gewann in ihr die Oberhand. Noch ein Versuch, und noch einen Fehlschlag mehr nahm sie ihre Tochter in den Arm, und wiegte mit ihr leicht hin und her.
"Nein Alivyl, Liebes. Du stirbst nicht. Du bist nur..." Lavyria schluckte, und unterdrückte die Tränen etwas, als sie weitersprach, "... nur schrecklich müde. Du wirst gleich sicher wieder einschlafen."
"Mama?"
Lavyria schaute zu ihr herunter, und versuchte zu lächeln. Doch das konnte und brauchte sie nicht mehr. Alivyl lächelte leicht, und in ihren Augen konnte man es herauslesen. Sie wusste, was geschehen würde.
"Ich hab dich lieb..."
Alivyls Kopf sank nach hinten, und ihre Brust senkte sich. Sie würde sich nie wieder erheben. Lavyria starrte fassungslos auf den Körper. Jedes Zeitgefühl entschwand. Sie starrte auf den Körper, als ihre Welt zerbrach. Alwaros und Alivyl waren tot. Und sie hatte nichts getan. Sie konnte immer gut heilen, nur diesmal nicht. Diesen Fluch konnte sie nicht heilen. Sie konnte nicht verhindern, dass Alwaros am Zauber starb. Alles starb, nur weil sie im Moment der am wichtigsten war nicht bei der Sache gewesen ist.
Lavyria drückte den leblosen Körper ihrer Tochter an sich, und weinte ungehemmt. Sie sah auf das Schwert, welches neben ihnen im Gras lag. So gesehen hatte sie die Leichen von beiden Liebsten hier liegen. Ein Teil von ihr wollte jetzt bei ihnen liegen. Nicht verbleiben, sondern mit ihnen gehen.
Normalerweise hatte Lavyria immer ein Ziel gehabt. Immer eine Pflicht zu erfüllen gehabt. Es war ein leichtes Leben gewesen. Sie tat immer das, was sie tun musste und der Rest ergab sich von selbst.
Nun hatte sie nichts mehr zu tun. Sie war allein. Sie fühlte sich leer. Und sie wollte es nicht mit etwas füllen, wie sie es sonst tat.
Lavyria wiegte sich weiter mit ihrer Tochter. Wie lange wusste sie danach nicht mehr. Doch sie wusste was sie tat und tun würde.
Sie würde trauern.
Eine lange Zeit.
Freier Fall war etwas feines. Man konnte sich kurz wie ein Vogel fühlen, bis man aufklatschte. Nun ja, aufklatschen würde nur der, der sich dumm anstellt. Cheida dagegen landete weich auf den Füßen, bevor sie sich nach vorne abrollte. Viel Übung und einige Knochenbrüche hatte sie in diese Technik investiert, um sie zu perfektionieren. Nun war sie vollends zufrieden mit sich selbst, wenn sie nach einem Sprung wieder sicher auf den Beinen war.
Das Gras war wie immer, auch die Bäume des Immersangwalds. Nur der Geruch, der war abscheulich. Viel Zeit hatte Cheida außerhalb von Quel'Thalas verbracht, doch an diesen Gestank konnte sie sich keineswegs erinnern.
Kein Wunder, denn er war nicht natürlich.
Die Elfe zog beide Schwerter, und bewegte sich im leichten Lauf weiter, bis sie die Armee erspähte die die Mauern von Silbermond anfiel. Cheida weitete die Augen. Sie war definitiv zu lange weg gewesen. Warum war sie nicht zurückgekehrt, als die Untoten weiter in den Osten Lordaerons gezogen waren? Sie hätte es wissen müssen. Sie hätte wissen müssen, dass die Geißel auf dem Weg nach Silbermond war.
Doch sie wandte sich nicht zur Stadt. Eine Stadt konnte man wieder aufbauen. Leben nicht. Ohne inne zu halten überlegte sie. Den kleinen Außenposten Tristessa sowie Goldnebel konnte sie vergessen. Niemand würde mehr dort leben, wenn die Geißel vorbeizog. Sie musste nach Morgenluft. Dort könnten noch Überlebende sein, die fliehen. Cheida rannte was das Zeug hält, und konnte schließlich nach einer gefühlten Ewigkeit die Häuser der Stadt Morgenluft sehen. Allesamt in Brand gesteckt.
Die Flüchtenden wurden mit knappem Vorsprung von den Untoten verfolgt. An einem weiter nördlich gelegenen Turm hielten die Waldläufer verzweifelt eine letzte Stellung. Dort würde auch Heliana sein. Um die brauchte sich Cheida keine Sorgen zu machen. Sie sprang einen kleinen Hang herab, und warf sich zwischen den flüchtenden Elfenbürgern und den Untoten in den Kampf. Eine Kreatur nach der anderen fiel ihren Schwertern zum Opfer. Sonderlich begabt waren sie ja nicht.
Die meisten Untoten verfolgten die Bürger, nur wenige ließen sich auf einen starren Kampf ein. Cheida konnte quasi mit ihnen laufen, und nebenbei Schneisen schlagen. Unter solchen Bedinungen wusste sie jedoch nicht, wie schnell sie müde sein würde. Ein zu Boden gestürztes Mädchen erlangte Cheidas Aufmerksamkeit. Mit zwei kräftigen Schwertschwüngen beseitigte die blonde Elfe die im Weg stehenden Ghule, und musterte das Elfenmädchen. Sie erkannte sie. Alivyl Blutfeder. Dann konnte Lavyria nicht weit sein.
Bevor Cheida weiterdenken konnte, stürzte sich ein Ghul auf sie. Ungelegen, dass er sie beim Gedankengang ertappte. Sie verlor das Schwert aus der Nebenhand, und zog eine tiefe Wunde am Arm davon, bevor sie den Ghul mit einem Schwertstich in den Nacken beseitigen konnte.
Um die Verletzung konnte sie sich keine Gedanken machen. Lavyria kam erschöpft auf sie zugetaumelt, mit einem blutigen Schwert in der Hand.
"Cheida?!"
"Keine Zeit jetzt, Nimm deine Tochter und verschwinde!"
Lavyria verschwendete glücklicherweise keine Zeit. Sie nahm ihre Tochter auf die Arme, und rannte weiter. Cheida gab ihr aus einiger Entfernung Deckung. Die Untoten fielen zurück. Drei von ihnen vielen Cheidas verbliebenem Schwert zum Opfer, bevor sie sich in Sicherheit wiegen konnte.
Die Geißel stürmte weiter auf die Stadt zu. Die Flüchtenden waren für's erste sicher. Cheida untersuchte kurz ihren Arm. Keine Infektion, keine Behinderung. Das reichte an Information. Sie hob den Blick nach Lavyria. Keine Spur.
Cheida brauchte geschlagene fünfzehn Minuten, bis sie den alten Hain erreichte der damals als Spielplatz für sie und Lavyria diente. Sie spähte hinter einem entfernten Baum hervor, und beobachtete Lavyria kurz, wie sie gebeugt über ihre Tochter hin und herwiegte. Sie zitterte. Das weinen konnte man ebenfalls hören.
Cheida wusste wie es war Familie zu verlieren... nun, eigentlich nicht. Nicht so wie sie das jetzt bei ihrer Freundin beobachten konnte. Kurz überlegte sie zu ihr zu gehen, doch entschied sich dann dagegen. Sie könnte eh nichts tun, außer neben ihr sitzen. Im Reden war sie meistens recht schlecht. Also wandte sich Cheida ab. Sie ging zu den anderen Flüchtlingen, die sich an einer Ecke des Waldes ausruhten. Es mussten etwa an die fünfzig sein. In jedem Augenpaar spiegelte sich Angst wieder. Einige andere weinten.
"Schwester!"
Eine schwarzhaarige Elfe kam auf sie zugestürmt. Heliana, Cheidas Schwester. Sie lächelte kurz, eine Umarmung, das war's mit Zärtlichkeit. Wie immer.
"Gute Jagd, hum?"
Cheida schüttelte den Kopf.
"Nicht gut. Eine Jagd kann man erst als gut werten, wenn sie vorbei ist."
"Ah, das schaffen wir schon. Wir haben schon ganz andere Dinge geschafft. Silbermond wird weiter bestehen, wie vor hunderten von Jahren schon!"
Cheida schüttelte wieder den Kopf. Heliana war eine Optimistin. Sie sah immer das gute an der Situation. Und sie war etwas naiv, zu glauben dass eine Krise immer bewältigt werden kann. Heliana quasselte während Cheidas Gedankengang munter weiter.
"Ich habe gehört, dass König Sonnenwanderer sich auf das Sonnenbrunnenplateau zurückgezogen hat. Wenn wir uns beeilen, können wir uns an der Defensive beteiligen."
Cheida nickte diesmal.
"Guter Vorschlag. Wie kommen wir dorthin?"
Auf den Punkt genau trafen die Drachenfalken ein. Notreiter, die die Flüchtlinge einsammelten. Cheida und ihre Schwester bestiegen einen dieser Falken, und ließen sich von dem Flüchtlingszug abtreiben.
Warten in diesen dunklen Zeiten, wie die Flüchtlinge es taten kam für Sonnensangs nicht infrage.
Aber was, wenn die dunklen Zeiten nicht enden?
Man wird ruhelos...
Mit diesem Gedanken sah Cheida über das Meer. In der Ferne die Insel von Quel'Danas.
Vielleicht hatte Heliana recht, und sie würden diese Krise überwinden wie jede andere.
Vielleicht...