Die absteigende Sonne lies die Berge in sattem Orangerot erstrahlen, als Hoshe'ke Nuri in einer kleinen Mulde ankam, die sich in der Flanke des "Hausberges" befand, der hinter der Akademie aufragte. Sie setzte sich auf einen, von der Sonne des Tages aufgewärmten, flachen Granitblock und lies ihren Blick über das Tal streifen, in dem die Jedi auf Tython ihr Zuhause gefunden hatten. Die Kapuze ihrer Robe im Nacken, lies die Zabrak die Strahlen der untergehenden Sonne in ihr Gesicht scheinen. Eine Krone aus abgerundeten, dornartigen Hörnen umrandete ihren Schädel, dunkles, glattes, streng nach hinten gekämmtes Haar reichte bis auf die Schultern der Zabrak hinab. Orangerote Augen nahmen das letzte Licht des Tages in sich auf.
Hoshe'ke liebte Tythons rauhe Natur, der Gegensatz zwischen den üppigen Wäldern im Tal und den kargen, von Schnee bedeckten Spitzen der Berge inspirierten sie. Sie konnte sich keinen besseren Ort für das Sanktum der Jedi vorstellen. Trotz Fleischräubern und anderer Gefahren. Zu ihrer Rechten sah sie dünne Rauchsäulen in den klaren, nur von wenigen, anmutigen Schleierwolken bedeckten Himmel aufsteigen. Sie wusste, diese kamen aus Kalikori, dem Dorf der Twi'lek-Siedler. Das Verhältnis der Jedi zu den von der Republik als illegal angesehenen Siedlern war nicht immer einfach, hatte sich aber in letzter Zeit entspannt. Hoshe'ke hatte ihre eigene Meinung zu den Twi'lek. Sie sah sie als Herausforderung an. Als Prüfung ihrer Rechtschaffenheit, ihrer Barmherzigkeit, ihres Verstandes. Die Macht prüfte die Jedi, in dem sie die Twi'lek ständig neuen Gefahren durch Fleischräuber und anderen Unwegsamkeiten aussetzte. Wie die Jedi auf jede dieser Gefahren reagierten, ob sie zur Schlacht eilten, wenn Diplomatie gefragt war, ob sie richteten, wo ein Rat alles war, was nötig schien, ob sie Rat gaben, wo nur Schweigen geboten war. Die Macht sah alles.
Hoshe'ke lächelte zufrieden. Ja, Tython war der perfekte Ort um die Standfestigkeit eines Jedi zu prüfen. Wind lies ihr Haar flattern, sie strich es mit einer unbewussten Gestik aus ihrem Gesicht, welches von einer aus feinen und elegant geschwungenen Linien bestehenden Tätowierung bedeckt war. Mit ihren 30 Standardjahren hatte sie noch viel Zeit vor sich, dass über die Jahrtausende angesammelte Wissen der Jedi zu studieren. Natürlich nur, wenn die Umstände es zuliessen. Der Krieg mit dem Imperium, obwohl fast so alt wie Hoshe'ke selbst, hatte sie nicht immer direkt betroffen, lag aber als ständig drohende Gewitterwolke über ihr. Das letzte Jahr hatte den Krieg mit der Invasion von Corellia durch das Imperium wieder heiss werden lassen. Glücklicherweise (sie fühlte sich schuldig bei dem Gedanken) war sie keine Kriegerin, und musste so nicht direkt in den Konflikt eingreifen. Sie sah sich als eine Gelehrte, eine Lehrerin, die ihr Wissen an neue, junge Generationen von Jedi weitergab.
Eine davon war ihre Schwester Kalapani gewesen, die wie durch ein Wunder vor 12 Jahren auf Tython aufgetaucht war, zu einem Zeitpunkt als Hoshe'ke selbst noch eine junge Padawan gewesen war. Sie hatte zu diesem Zeitpunkt noch nicht einmal gewusst, das sie eine Schwester hatte, zumal Kalapani wesentlich jünger war als sie selbst. 11 Jahre lagen zwischen ihr und Hoshe'ke. Als Kalapani geboren wurde, war die Jedi ein Jüngling in der Akademie auf Dantooine gewesen, die, wie die meisten anderen Zweigstellen der Jedi, nach dem Angriff auf Coruscant geschlossen worden war. Als Hoshe'ke in das Gesicht des siebenjährigen Mädchens geblickt hatte, war ihr sofort die Ähnlichkeit mit ihrer Mutter bewusst geworden, und ihre Verbindung in der Macht lies den letzten ihrer Zweifel schwinden. Sie hatte eine junge Schwester. Kalapani selbst hatte in Hoshe'ke wiederum das Gesicht ihres grossen Bruders Keo'wi'kan Nuri entdeckt und hatte sich, rein aus Instinkt heraus, eng an Hoshe'ke angeschlossen. Für Hoshe'ke war dies die zweite Überraschung an diesem Tag gewesen. Ihr um ein Jahr jüngerer Bruder lebte noch. Zumindestens hatte er noch gelebt, als Kalapani von ihm getrennt wurde.
Hoshe'ke befand sich damals selbst in einer schwierigen Phase. Als Jugendliche hat man es nicht immer einfach, die Kluft zwischen äusseren Anforderungen und den Veränderungen die man selbst durchmacht, immer klar zu trennen. Hoshe'ke war zu dieser Zeit sehr launisch gewesen und hatte ihre Schwester des öfteren mit scharfen Worten verletzt. Ihre Ansprüche an sich selbst und ihre Schwester waren sehr hoch. Sie gab sich im Nachhinein die Schuld daran, das Kalapani Sprachschwierigkeiten gehabt hatte, trotz zweifellos vorhandener Machtfähigkeiten unter dem Durchschnitt geblieben war, und schlussendlich im Agricorps landete, wo sie anscheinend zufrieden gewesen war.
Hoshe'ke verzog das Gesicht.
Bis zu dem Tag an dem dieser ältere, abgerissen wirkende Mann aufgetaucht war und Kalapani plötzlich einen Narren an ihm gefressen hatte. Kurz danach war sie mit dem Mann verschwunden. Eine 19jährige, selbst noch fast ein Kind, die mit einem über 50jährigen durchbrannte! Unglaublich. Hoshe'ke war eine Frau mit Prinzipien, festen Grundsätzen und eher konservativen Moralvorstellungen. Für sie war es unmöglich, was ihre junge Schwester sich geleistet hatte. Merkwürdigerweise hatten die Meister kein grosses Aufheben um die Sache gemacht und Hoshe'ke hatte zähneknirschend die Erklärung ihres Meisters akzeptieren müssen, obwohl sie sie nicht wirklich verstanden hatte.
Hoshe'ke senkte den Blick. Trotz ihrer 30 Jahre und der langen Zeit, die sie bei den Jedi verbracht hatte, war sie des Öfteren nicht in der Lage, Verständnis für gewisse Umstände aufzubringen.
Hoshe'ke sah wieder auf, als die untergehende Sonne die gezackten Kanten der umliegenden Berge berührte. Sie stand langsam auf und strich ihre gepflegte, aber einfache Robe glatt. Vorsichtig begann sie sich auf den Weg ins Tal zu machen, bevor die Sonne komplett hinter den Bergen verschwinden würde. Nachts wurde es kalt auf Tython, und die nächtlichen Räuber begannen ihr Unwesen zu treiben. Manche davon konnten einer wenig kampferprobten Jedi durchaus gefährlich werden.
Über eines war sich Hoshe'ke Nuri jedenfalls im klaren. Sie musste noch viel lernen. Aber die Macht war ein williger, wenn auch manchmal schwer verständlicher Lehrer. Trotzdem würde sie nicht aufgeben. Sie würde weiterhin ihr Bestes geben, sie würde versuchen dem Ideal des perfekten Jedi immer näher zu kommen.
Und eines Tages würde sie, wenn sie stark genug in der Macht geworden war, sie dazu nutzen um Kalapani und Keo'wi'kan in den Tiefen der Galaxis auszumachen. Wenn sie dann noch lebten, würde sie sie um Verzeihung bitten, und darum, dass sie nach Hause kämen.
Nach Hause... nach Tython.
Einsam stieg die dunkle Gestalt der Jedi den Hang hinab und verschwand in den länger werdenden Schatten.