Rabenwache
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 [WoW] Cheida - Wie man blind vertraut

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LeKüken
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LeKüken


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[WoW] Cheida - Wie man blind vertraut Empty
BeitragThema: [WoW] Cheida - Wie man blind vertraut   [WoW] Cheida - Wie man blind vertraut EmptySo 20 Nov - 21:24

„Du kamst hierher, um Zuflucht zu finden. Sicherheit vor dir selbst. Vor deinen Verbündeten. Ihre dunklen Seiten verfolgen dich. Was hast du gefunden?"

Cheida sah den Nachtelfen an, der sprach. Er hatte eine Augenbinde, wie sie. Dahinter waren zwei kleine Flammen. Die Elfe wusste nicht, ob diese Flammen auch für andere sichtbar waren. Aber interessant waren sie allemal. Cheida sparte es sich, den Rest ihres Gegenübers zu inspizieren. Sie musste nicht mehr wissen.

„Ich fand jemanden, der sieht wie ich. Und erfahren darin ist, es zu nutzen."

Der Nachtelf lachte leise. Die Flammen sahen zu Cheida herunter. Er war etwas größer als sie, und doch schien es so als wäre er auf ihrer Höhe. Auf seine eigene Art war er sympathisch.

„Ja, Blutelfe. Den hast du gefunden. Ich bin Altruis. Manche schimpfen mich den Leider. Ich wurde von Illidan Sturmgrimm ausgebildet, und habe lange Jahre damit zugebracht, den Dämonen zu jagen zu dem er geworden ist."

Die Geschichte war für Cheida nicht neu. Illidan starb schon vor einigen Jahren in der Scherbenwelt. Er war der letzte bekannte Dämonenjäger, der ausgebildet hatte. Blutelfen und Nachtelfen hatten am Schwarzen Tempel geübt. Nun wusste niemand mehr, was dort vorgeht. Seit Sturmgrimms Fall wurde es still um den Tempel. Cheida ging nicht mehr davon aus, dass es noch Dämonenjäger gab. Doch nun stand einer vor ihr, der sich beinahe freizügig vorstellte.

„… und nun bin ich einer der wenigen übrigen Dämonenjäger. Ich suche nach Leuten wie dich, Cheida. Ich bin dir ähnlich, und doch anders. Ich sehe Feuer, du Schatten. Ich bin… interessiert. Wie steht es mit dir?"

Cheida musste nicht lange nachdenken.

„Ich weiß, dass ihr besser wisst, wie man den Fluch nutzt, den ihr Gabe nennt. Unser Blick. Wenn ich ihn nicht loswerde, muss ich ihn nutzen lernen. Ihr könnt mir helfen. Und ich danach euch."
„Richtig. Ich helfe dir, deinen Fluch zu nutzen. Die Schatten zu vernichten. Ich mache dich zu meinem Schatten. Dann wirst du den deinen verstehen, und töten. Danach wirst du mir helfen."
„Wobei?"
„Das wird sich dann zeigen."

Schwammige Aussage. Cheida kratzte sich wie üblich hinterm Ohr, und dachte nach. Wenn Altruis die Wahrheit sagte, würde sie sich noch weiter verändern. Vielleicht würde sie zu dem werden, was sie bekämpfte. Und doch waren die bisherigen Veränderungen bereits Grund genug, dieses Argument fallen zu lassen. Sicher wäre es das wert, sich auf einen Gefallen einzulassen.

„Ich werde mit Freude bei euch lernen."

Altruis grinste. Das konnte sogar Cheida sehen. Der Nachtelf trat hinter sie, strich durch ihre Haare und fingerte an ihnen herum. Die Elfe rührte sich nicht, als er ihr Haar zu einem etwas praktikableren Zopf zurechtmachte. Als er fertig war, musterte er sie eindringlich. Manch anderer würde es als anzüglich bezeichnen. Doch die Flammen seiner Augen sprachen Bände.

„Ich werde dich vor einige Prüfungen stellen. Vielleicht wirst du an deine Grenzen gehen, vielleicht wird es auch einfach. Am Ende wirst du als neue Frau zurückkehren."
„Als eine von euch?"
„Nein. Mein Schatten, und der unterscheidet sich deutlich von mir."
„Ich verstehe nicht…"
„Wirst du auch erst am Ende, mein Schatten. Fangen wir an. Du… wirst dich neu einkleiden."

Cheida musste grinsen. Sie kaufte eine Katze im Sack. Entweder er konnte ihr nicht sagen, was herauskommt oder er wollte es nicht. Dieser Nachtelf war ein einziges Rätsel, und das machte ihn so faszinierend. Doch da schoss ihr ein Gedanke durch den Kopf.

„Werde ich mich um meine Leute in Azeroth kümmern können?"

Altruis zögerte merklich. Die Flammen flackerten wild auf, als Spiegel seiner ausschweifenden Gedanken.

„Ja. Ich werde hier in Nagrand auf dich warten. Immer. Wenn du gehen musst, gehst du. Ansonsten will ich dich hier haben. Die Schatten werden dir folgen. Du musst schlau genug sein, zu überleben. Das ist deine erste Prüfung, die erst endet wenn wir fertig sind. Hast du verstanden?"

"Ich habe verstanden."

Der Nachtelf grinste.

„Dann fangen wir an."




Es hatte weh getan. Sehr weh.

Es war wie eine erneute Ausbildung gewesen. Grundzüge des Kampfes, neu definiert. Dabei war es meist so schlicht. Hand wechselt. Der Schritt etwas weiter, dieser etwas kürzer. Dann mal nach links, statt nach rechts drehen. Es hörte sich aus dem Mund ihres Lehrers alles so leicht an. Und doch war es schwer, wie als wenn man ein blutiger Anfänger war.

Vielleicht lag es auch an den anderen Klamotten. Statt einer eng anliegenden Lederrüstung gab sich Cheida nun mit einem Kilt, Sandalen und einer dünnen Stoffweste zufrieden. Dazu zwei neue Schwerter, die auf dem Rücken getragen wurden. Die weißen Haare zu einem Zopf gebunden, wie von Altruis gefordert. Augenbinde war sowieso dabei.

Die letzten Tage hatten Altruis und Cheida mit dem harten Training verbracht. Die neuen Waffen waren perfekt ausbalanciert, obwohl sie so schlicht aussahen. Ihr Nachtelfenlehrer trug zwei Zwillingsklingen. Diese Waffen waren legendär für ihre Tödliche Schnelligkeit. Sie zu beherrschen dauerte Jahre des eifrigen Lernens.

Zum Glück musste Cheida nicht so lange warten.

Sie war nun in Shattrath. Nachdem das Training vorrüber war, sollte sie sich an ihre erste richtige Prüfung machen. "Prüfung der Heimlichkeit" hatte ihr Lehrmeister sie genannt. Cheida sollte einen Draenei ausfindig machen, und unbemerkt töten.

Ihr Ziel hatte dutzende Namen. Wahrscheinlich war keiner davon echt. Das faszinierendste war: Der Draenei besaß eine Schenke im unteren Viertel, und war spezialisiert auf "fleischliche Bedürfnisse", wie gesagt wurde.

Nun, "fleischlich" war wörtlich zu nehmen. In der Schenke wurden Orgien gefeiert. Fette Oger, Orcs, Trolle, Blutelfen... beinahe alles war vertreten. Und Cheida mittendrin. Sie war wohl die einzige hier mit einer guten Disziplin, was die Lebensweise anging. Nicht nur dass diese fetten Leute hier nur immer mehr in sich hineinstopften. Nein. Sie waren auch noch reich. Das lockte die Frauen aus dem unteren Viertel magisch an.

Es war grässlich wie sie sich zielgerichtet den Kerlen an den Hals warfen. Ekelhaft. Cheida hielt sich die Nase zu, während sie sich durch die Schenke manövrierte. Sonst würde sie bei dem Geruch von fettigem Fleisch, Körperflüssigkeiten und vor allem Schweiß wohl ohnmächtig werden.

Um sich abzulenken ging Cheida noch einmal ihren Plan durch. Altruis hatte ihr einen kleinen, spitzen Kristall gegeben. "Stech ihm diesen Kristall in sein Herz. Er wird das Blut in sich aufnehmen." hatte er gesagt. Warum nun ausgerechnet Draenei Blut in den Kristall sollte, wusste Cheida nicht. Und wie sowieso nicht. Wie sollte sie unter den ganzen feiernden Leuten dem Besitzer des Ladens einen Kristall ins Herz rammen?

Cheida hatte schon genug Draenei gesehen, um sie etwa einschätzen zu können. Auf jedenfall waren sie größer als sie. Mit einem Sprung war jede Heimlichkeit dahin. Auch wenn sie ihn umgarnte, dass er sie in ein Hinterzimmer mitnahm war keine gute Idee. Jemand würde sie sehen, dann wurde die Leiche gefunden und es war klar wer es nur gewesen sein konnte. Und auf die Chance, dass es eine Möglichkeit gab den Leichnam zu verstecken wollte sich die blasse Elfe nicht verlassen.

Ratlos ließ Cheida ihren Blick von der zweiten Treppenstufe in Richtung Obergeschoss knapp über die Menge schweifen. Entweder es wurde getanzt, betrunken, oder sich in einer trüglich "ruhigen" Ecke lieb gehabt. Wie schlecht. Es würde einfach werden, in der Menge unterzutauchen. Ohne Plan trat sie die beiden Stufen wieder herunter, drängte sich durch die Menge. Minutenlang. Bis sie ihr Ziel gefunden hatte. Es war mitten in einer Unterhaltung mit einer kleinen Menschenfrau.

Cheida brauchte auf jeden Fall die Aufmerksamkeit des Draenei. Sie sah sich wiedermals um. Auf der Suche nach einem Plan. Dann, wie von selbst, ließ sie die Hüften schwingen, machte passende Bewegungen... sie tanzte. Das erste mal seit... verdammt langer Zeit.

Nach einigen Sekunden der Eingewöhnung war es erschreckend gewohnt für die blasse Elfe, auffallend aufreizend zu tanzen. Obwohl es nun fast ein Jahrhundert her war, dass sie es das letzte mal getan hat. Der Kerl, der sie so gesehen hatte war nun tot.

Der nächste würde es auch sein.



Am selben Abend

"Das war... dumm."
"Ich weiß."
"Aber du hast den Kristall."
"Ja."
"Nur vom falschen."
"Ja."

Cheida schüttelte den Kopf bei ihrer letzten Antwort. Ja, sie hatte den Kristall bekommen. Sie hatte die Aufmerksamkeit des Besitzers erregt, ihn zu sich herangelockt, dann war sie schauspielerisch zusammengeklappt. Sie hatte erwartet, dass sich der fürsorgliche Besitzer zu ihr herabbeugen würde.

Falsch gedacht. Es war einer seiner Leibwächter gewesen, der sich gebeugt hatte. Leider hatte er dadurch auch den Kristall abbekommen. Draeneiblut vom falschen Opfer.

Altruis hatte sie bei der doch recht stürmischen Flucht mit seinem Netherdrachen gerettet. Es war knapp gewesen, aber Cheida liebte das klopfen in ihrer Brust, wenn es vorbei war. Der Netherdrache hatte sie beide zurück nach Nagrand gebracht, wo sie nun darauf warteten dass der Tumult in Shattrath zu seinem Ende gelangte.

"Morde sind im unteren Viertel üblich. Das wird morgen bereits keinen mehr interessieren."

Cheida schüttelte bei Altruis Worten den Kopf.

"Aber ich habe versagt."
"Nein, hast du nicht. Das war, wie ich es nannte. Eine Prüfung. Eine Überprüfung. Du bist in Sachen Heimlichkeit wie ich. Du setzt gern auf Risiko."

Cheida hob die Augenbraue. Er hatte wohl Recht, auch wenn sie nicht ahnte worauf er hinauswollte. Er sprach munter weiter.

"Und wenn du auf Risiko setzt, brauchst du jemanden der dir den Arsch rettet wenn du auf den falschen... Drachen setzt."

Cheida sah zu dem Netherdrachen, der über ihnen seine Kreise zog. Altruis folgte ihrem Blick.

"Wir werden dafür sorgen, dass du deinen Partner bald hast."




Cheida streckte müde die Hand aus. Altruis hatte sich selbst übertroffen. Der Drache war grünlich oder… gelblich? Sie konnte es nicht genau erkennen. Aber er war schön. Ihr Lehrmeister hatte sich bei seiner Suche nach einem passenden Netherdrachen wirklich Mühe gegeben. Er war etwas kleiner als der schwarze des Dämonenjägers, und doch strahlte der Drache wie für ihre Rasse üblich ehrfurchtgebietene Kraft aus. Die gestreckte Hand näherte sich dem Drachen leicht zitternd. Sie hatte die Nacht kaum geschlafen. Die Reise von Azeroth in die Scherbenwelt war zwar mit dem richtigen Gefährten eine ruhige Sache, leider ging sie zu schnell.

Altruis hatte ihr zuvor seinen Drachen ausgeliehen, mit dem sie reiten üben sollte. Es hatte zwar etwas Feingefühl erfordert, aber die blasse Elfe hatte es geschafft. Sie saß relativ sicher auf dem Drachen, der wirklich im aberwitzigen Tempo durch die Lüfte geflogen war. Nun war es an der Zeit sich einen eigenen Drachen zum Freund zu machen.

„Es ist ein männlicher Drache. Etwas jünger. Sein Name ist Zhynnios. Ganz ruhig, und langsam. Zeige ihm Respekt, und Vertrauen."

Ihr nachtelfischer Lehrmeister stand bereit sie zu unterstützen hinter ihr. Die Arme vor der Brust verschränkt, sah er dem Schauspiel zu. Sein Drache hatte sich nach der Reise hierher nach Nagrand neben seinem Gefährten niedergelassen, und beobachtete Cheida ebenfalls. Eher gelangweilt. Als Cheida auf dem Drachen geübt hatte, hatte er sich einen Spaß daraus gemacht sie zu necken und ihren Wert zu hinterfragen. Nun war er bedenklich ruhig.

Endlich berührte die Hand die Schnauze des Drachen. Das stolze Wesen tat gar nichts, außer sie fasziniert ansehen. Langsam führte Cheida Streichelbewegungen durch. Bedrohlich knurrte Altruis‘ Drache hinter ihr. Unsicherheit machte sich in der weißhaarigen Elfe breit. Tat sie das richtige? Oder versah sie sich völlig? Nervös hielt sie inne, und sah nach hinten. Altruis nickte ihr nur zu. Keine große Hilfe. Cheida sah wieder zu dem grüngelben Drachen, der inzwischen den Kopf schiefgelegt hatte um sie von einer anderen Sicht zu mustern. Ein kurzer Moment der Stille. Irgendwie besonders, wie die Elfe mit ihrer Hand den Drachen berührte der beinahe schon zutraulich gar nichts tat.

Bis zu ebendiesem Moment.

Das Maul des Drachen schoss vor, um Cheida spontan den Arm abzubeißen. Da trat Altruis einen Schritt vor, und sprach in einer unverständlichen Sprache. Dabei hob er beide Hände. Auch wenn sich die Sprache komisch anhörte, war sie beruhigend. Sogar für Cheida. Was jedoch wichtiger war. Für den Drachen auch. Dieser zog das Maul zurück, und drückte seine Schnauze wieder gegen die Hand der Elfe. Nun total aus dem Konzept streichelte Cheida weiter.


„Der Drache hat immer noch seinen Instinkt, Mädchen. Er spürt deine Unsicherheit und Angst. Das musst du durch Vertrauen wettmachen."


Das war schon eher hilfreich. Cheida streichelte etwas vertrauensvoller, einfach auf gut Glück. Mit langsamen, immer noch etwas zittrigen Beinen trat sie an der Seite des Drachen entlang, und fuhr mit den Fingern an ihm entlang. Die Müdigkeit war nach dem Versuch ihr den Arm abzubeißen dahin. Ihr Herz pochte wie wild, auch wenn sie sich bemühte ruhig zu bleiben. Sie machte es ganz sicher falsch. Wahrscheinlich würde der Drache die nächste Gelegenheit nutzen, sie zu zerreißen.


Doch der Angriff blieb aus. Der Drache folgte ihr kurz mit seinem Blick, als sie an ihm entlangging. Dann sah er in den Himmel. Doch seine Sinne tasteten immer noch nach ihr. Da war sich Cheida sicher. Sie trat um den Drachen herum, und blieb dann neben seinem Kopf stehen. Dreimal atmete sie stockweise durch, bevor sie all ihrem Mut zusammennahm und sacht ihren Kopf gegen den seinen lehnte.

Dann dröhnte seine dunkle Stimme in ihrem Kopf. Sie war weit düsterer als die von Altruis‘ Drachen, aber genauso ruhig.

„Du bist eine sehr unsichere kleine Elfe, Cheida. In unserem Schwarm wärst du die Beute. Aber immerhin wärst du sympathische Beute. Also gebe ich dir eine Chance. Lass uns fliegen. Zeig mir deinen Mut."


Das kam zu schnell. Der Netherdrache wandte seinen Kopf zu ihr, warf sie mit einem erstaunlich sanften Biss in den Kilt auf seinen Hals, und flog los. Leider saß Cheida falsch herum. Sie sah also den Boden, der beängstigend schnell unter ihnen entschwand. Altruis sah ihr nach. Grinste er? Nun, wer würde nicht grinsen? Cheida schrie überrascht auf, bis der Netherdrache einen horizontalen Flug einlegte. Als sie den Boden nicht mehr sehen konnte, drehte sich die Elfe vorsichtig im Sitz um, und verfolgte den Flug des Drachen endlich von vorne.

Das war sie glücklicherweise schon gewohnt. Ob Zhynnios das wusste? Sie hoffte nicht, denn das war ihre einzige Gelegenheit Pluspunkte bei dem Geschöpf zu landen. In dem rasanten Flug hielt sie ihre Ruhe bei, die dadurch sogar innerlich ein wenig in sie einkehrte. Das Zeitgefühl entschwand. Der Wind fuhr ihr durch das weiße Haar, welches trotz des Zopfes reichlich umherwirbelte. Der Wind war kalt, doch wenn man sich daran gewöhnte ging es ganz gut.

Nach einer Ewigkeit setze der Netherdrache zur Landung an. Sie hatten den ganzen Flug über nicht gesprochen. Es hatte Spaß gemacht. Zuversichtlicher wartete sie, bis der Drache seine Landung bewältigt hatte. Sie waren wieder bei Altruis und seinem Drachen. Cheida ließ sich vom Hals des prächtigen Wesens rutschen, taumelte leicht auf dem Boden. Zhynnios tat zum Glück nichts, um sie zu fressen. Jedenfalls jetzt noch nicht.

Altruis klatschte kurz in die Hände. „Das war gut, Cheida. Darauf könnt ihr aufbauen. Der erste Flug entscheidet über so ziemlich alles. Hättest du es versaut, wärst du nun tot. Ich bin beeindruckt, dass du es so ruhig angegangen bist."

Cheida würde sich vor die Stirn schlagen, wäre sie gerade nicht eher bemüht gerade zu stehen. Scheint, als wäre sie länger geflogen als gedacht wenn sie es so schwer hatte auf den Beinen zu bleiben. Sie sagte nichts dazu. Sie brauchte es auch gar nicht, denn die dröhnende Stimme von Zhynnios ertönte wieder in ihrem Kopf.

„Das war erstaunlich gut. Nach meinem ersten Eindruck wärst du dort oben ohne mein Zutun gestorben." Er lachte leise, es hörte sich in ihrem Kopf völlig normal an, während der Drache selbst nur zischte. „Aber ich hörte von meinem Artgenossen hier, dass du sehr freigiebig mit deinen Streicheleinheiten bist. Ich bin gespannt. Daher werde ich dich vorerst nicht fressen."


Cheida sah zu Altruis‘ Drachen. Dieser zischte ebenfalls amüsiert, und die weißhaarige Elfe könnte schwören, in dem Maul voller scharfer Zähne ein Grinsen zu erkennen.




„Du wirkst aufgewühlt."
„Ach ja? Woran sieht man das bitte?"

Altruis musterte sie. Natürlich wusste Cheida, wie sie innerlich tobte. Allerdings hatte sie Gefallen an dem Glauben gefunden, sie könnte ihre Gefühle wenigstens ein klein wenig verbergen. Nachdem also ihre eigene kleine Welt in Flammen aufging, ballte sie die Hände zu Fäusten.

„Dein ganzer Körper schreit förmlich: „Mir geht es schlecht." Das sieht jeder, der nur einen Hauch von Gefühl hat."

Irgendwie fühlte sich Cheida nun doch ertappt. Mit langsamen Atemzügen versuchte sie sich zu besinnen, aber es ging nicht. Wut schoss in ihre Fäuste, Trauer setzte ihren Kloß in den Hals der weißen Elfe. Sie verspürte den Drang einfach wegzulaufen. Vor einem Wesen wie Altruis, zeitlos und unnahbar durfte sie sich keine emotionale Blöße anmerken lassen. Da war wegrennen die wesentlich einfachere Alternative. Gerade als sie ihren Plan in die Tat umsetzen wollte, wurde sie von Altruis an der Schulter gefasst.

„Cheida, egal was kommen mag. Vergiss nie, dass du in der kurzen Zeit, die wir bisher verbracht haben, zu einer noch geschickteren, noch talentierteren Elfe geworden bist. Du bist eine vertraute Schwertkämpferin, eine schnelle Denkerin und dazu noch das passende Lächeln um dieses Denken auf sympathische Weise zum Ausdruck zu bringen."

Cheida bekam bei dieser Rede einen spontanen Brechreiz. Wie sollte er das wissen? Sie hatte ihr Kind an eine Wahnsinnige verloren. Da war er wieder, der Drang die Hand wegzuschlagen, und davonzurennen. Der Kloß im Hals drückte ihr die Kehle zu, und versuchte sich zu ihren Augen durchzusetzen. Doch da waren keine Augen mehr, die weinen konnten. Stattdessen brannten sich die Tränen als unendlicher Schmerz in ihrer Seele, den sie stumm ertrug. Mit Mühe raffte sie sich zu einem Nicken auf.

Altruis ließ sich davon nicht beeindrucken.

„Es gibt dort draußen Leute, die dich schätzen. Auch wenn du es dir selbst nicht eingestehst. Ich hatte diese Leute auch…"

Nun war Cheida dankbar. Sie konnte sich auf etwas konzentrieren. Mit einem schmerzhaften Schlucken verbannte sie den Kloß einstweilig aus ihrer Kehle, und rang um eine vertretbare Stimme.

„Was habt ihr gemacht?"

Altruis hüllte sich einige Augenblicke in Schweigen. Nun fiel Cheida auf, dass sich der Nachtelf bisher erstaunlich selten die Ruhe nahm, um über sich selbst zu sprechen. Aber anstatt nun mit einem „Nun…“ die erhoffte Rede zu beginnen, führte er sie zu einem kleinen See. Für Cheida war er wie ein Spiegel aus Nebel, der sich bei Berührung wellte. Die Fische erspähte sie als kleine Punkte aus Licht. Altruis gab ihr eine Rute in die Hand, die am Ufer lag.

„Angeln wir. Das hilft, um die innere Ruhe wiederzufinden. Dann erzähle ich es dir."

Der Vorschlag zu angeln traf Cheida wie eine Mauer wenn man dagegen anrennt. Es gab für die Elfe nichts langweiligeres, nichts was die Zeit besser verschwendete als… Angeln. Und ihr Lehrmeister velangte nun, dass sie in aller Ruhe die Rute nach Fischen auswarf, während ihre Tochter höchstwahrscheinlich Höllenqualen beim verrückten Einauge durchmachte? Cheida würde am liebsten grummeln, und beleidigt die Arme vor der Brust verschränken. Sich verweigern. Doch das hatte Altruis noch nie akzeptiert. Also nahm sie ergeben in ihrem Schicksal die Angeln, prüfte etwas blind die Schnur, und warf sie aus.

„Ich war, natürlich, einst ein normaler Kaldorei. Ich wäre bei eurem Volk schon sicherlich zwanzigmal eines natürlichen Altertodes gestorben. Ich sah Zeiten, die können sich bei euch die Ältesten nur ausmalen. Ich sah Bäume wachsen, und sterben. Und ich als stink normaler Nachtelf weinte ein jedem von ihnen nach. Ich wurde nach dem Krieg der Ahnen geboren. Ich wurde also mit den Lehren der Druiden groß."

Die Erzählung nahm die Langeweile aus dem Angeln. Der Haken trieb ruhig unter dem Spiegel des dunklen Nebels, und die ersten Lichter machten sich näher an ihn heran. Kurz konzentrierte sich Cheida auf einen der Fische. Ein schöner Fisch mit roten Schuppen. Ob sie ihn fangen könnte? Sicherlich nicht, sie hatte schließlich noch nie geangelt. Also konzentrierte sie sich lieber weiter auf die Erzählung ihres Lehrmeisters.

„Ich war niemals besonders gut darin, die Lehren der Druiden zu verstehen und nach ihnen zu leben. Ich hörte von den Gerichtsfällen wegen den Hochgeborenen, und das liebste Negativbeispiel war Illidan Sturmgrimm. Es war faszinierend. Derjenige, der unserem Volk am Ende die Macht gab die brennende Legion im dritten Krieg erneut zu besiegen schmorte deshalb die vorigen zehntausend Jahre im Gefängnis."

Cheida hob die Augenbraue.

„Hat Illidan nicht lediglich den verderbten Brunnen der Ewigkeit neu geschaffen?"

Altruis grinste.

„Nun, wie man es sehen mag. Ohne Illidans Tat, hätte die brennende Legion kein festes Ziel gehabt außer Azeroth zu vernichten. Und wenn du ehrlich bist, hätte sie es dann noch am ehesten geschafft. Sie hatte kluge Anführer, und raffinierte Offiziere. Wäre Archimonde nicht zu Nordrassil gegangen, um diese Macht in seiner Gier auszubeuten… Wäre die Falle nie zugeschnappt. Niemals wäre er besiegt worden."

Cheida nickte, und gebot ihm damit fortzufahren. Man konnte alles mit Vor- und Nachteilen versehen. Kurz erweckte wieder ein Licht ihre Aufmerksamkeit, welches etwas zielstrebiger zum Haken schwamm. Doch die Aufmerksamkeit des Fisches schwand genauso schnell wie die von Cheida, als Altruis fortfuhr.

„Ich sah Illidan nie als den Bösewicht an, für den ihn die anderen Nachtelfen verkaufen wollten. Ich sammelte Informationen, und allein dafür schon wurde ich gemieden. Aber ich sammelte weiter. Ich hatte auch Freunde, die mich liebten. Die ich liebte. Und nur sie wandten sich nicht von mir ab. Nicht einmal dann, als Sturmgrimm freikam. Ich schloss mich ihm an. Auch als er zu der Perversion wurde, die er bis zuletzt darstellte. Ich lernte bei ihm. Und mit mir meine Freunde."

Cheida zuckte zusammen, als die Angelrute kurz zitterte. Eines der Lichter hatte sich an den Haken verirrt, konnte sich jedoch befreien. Etwas enttäuscht lauschte die Elfe dann weiter den Worten ihres Lehrmeisters.

„Sie wurden keine Dämonenjäger. Sie blieben ihren Wegen treu. Aber sie lernten Toleranz. Sie achteten mich immer noch, nachdem ich diesen abtrünnigen Weg einschlug. Vom Rest meines Volks lebte ich distanziert, nur von ihnen nicht. Als Illidan dann mit den Naga einen Pakt einging, sagte ich mich los. Ich hatte alles gelernt, was ich brauchte. In die Scherbenwelt folgte ich ihm nur, weil ich neugierig war. Seitdem lebe ich hier, und jage. Nur selten zieht es mich nach Azeroth zurück.“
„Was ist aus euren Freunden geworden?“
„Eine davon… Rayne… ist nun eine der Druiden im Argentumkreuzzug. Wir haben wenig Kontakt, aber gelegentlich gibt es Briefe. Informationen über die Lage in der jeweils anderen Welt. Von den anderen höre ich noch seltener etwas, daher erwähne ich sie jetzt nicht."

„Und warum erzählt ihr mir das?"

„Du gehst einen abtrünnigen Weg, wie ich. Viele neigen dann dazu, sich auch aus ihren Kreisen abzuschotten. Und versuch es nicht zu bestreiten. Du bist der Meinung, dass du die perfekte Einzelgängerin bist."

Cheida war baff. Dieser Nachtelf war entweder ein Meister des Gedankenlesens, oder nur ein verdammt guter Elfenkenner. Die Angelrute blieb ruhig, genau wie die Lichter im Nebelspiegel. Verdattert suchte die Elfe nach Worten. Geistig so ausgezogen zu werden war unangenehm auf unangenehmste Weise. Bis Altruis fortfuhr, hatte Cheida keine Worte gefunden.

„Ich bin dein Lehrmeister, Cheida. Ich denke, das baut zwischen uns eine bessere Vertrauensbasis als es lange Abende tun könnten. Ich werde dich nicht darüber ausfragen, was dich bedrückt. Darüber zu sprechen wird es mit mir als Partner nicht einfacher machen. Aber dafür, dass ich dich ohne Erklärung gehen lasse will ich, dass du mir etwas versprichst."

Cheida nickte. Sie hatte sich immer noch nicht gefasst von dem Schlag ins Gesicht, den ihr der Nachtelf mit seinen klaren Worten gegeben hatte. Vor jeder anderen Person hätte Cheida nun vielleicht sogar Furcht empfunden, dass sie soviel über sie wusste. Doch aus irgendeinem Grund tat sie das bei Altruis nicht. Er würde die Erkenntnis um ihr Innerstes wahren. Das wusste die Elfe.

„Tu, was du tun musst um dir selbst treu zu sein. Aber vergiss niemals diejenigen, bei denen du einen Platz im Herzen hast. Und die einen Platz bei dir haben."

Cheida nickte wieder. Zuversicht hebte ihre Laune wieder etwas, und ließ sie erleichterter ausatmen. Dieses Versprechen würde sie einhalten, das schwörte sie sich im Geiste.

„Ich würde den Fisch reinziehen."

Cheida sah irritiert zu ihrer Rute, an der bereits stark gerissen wurde. Hatte sie das gar nicht gemerkt? In den letzten doch recht bewegenden Sekunden hatte sie völlig vergessen, dass sie am angeln war. Beinahe krampfhaft schlossen sich die Hände um die Angelrute, und zogen was das Zeug hielt. Es sah garantiert bedeppert aus, wie die ansonsten so geschickte Elfe mit einem einfachen Fisch zu kämpfen hatte. Nach einigen für Cheida spannenden Augenblicken zog dann endlich das klare Licht des Fisches aus dem Nebelspiegel, und hing zappelnd an der Schnur.

Cheida lächelte beinahe kindlich freudig zu ihrem Lehrmeister hoch.

Sie hatte einen schönen Fisch mit roten Schuppen gefangen.




Es war alles viel zu schnell gegangen.

Cheida war wie von Altruis angeordnet öfter ihre Ruhe finden gegangen. Beim Angeln. Nach wie vor konnte sie sich mit dieser Beschäftigung nicht anfreunden, doch nach dem kleinen Erfolg mit dem roten Fisch war es wenigstens nicht mehr die pure Qual. Sie ging also mit der Rute zum See hinter Garadar, warf sie aus…

Um kurz danach von ihrem Schatten angegriffen zu werden.

Das schmerzhafte ziehen am Rücken wirkte wie immer betäubend. Sie spürte am halben Körper beinahe gar nichts mehr. Schwerlich hatte sich die Elfe von diesem vernichtenden Erstschlag erholen können. Beide Schwerter waren nun gezogen, und kampfbereit stand sie ihrem Ebenbild gegenüber. Ihr Herz hämmerte wie wild. Furcht, Entschlossenheit und ein kleiner Tick Rachsucht wütete in ihr. Furcht davor, was passierte wenn sie nun versagen würde. Entschlossenheit, dieses nicht geschehen zu lassen, und Rachsucht für das, was sie durchleiden musste.

Der Schatten dröhnte mit seiner hallenden Stimme. Manch einer würde lachen, wenn man eine kleine blonde Elfe mit einer solche Stimme hören würde.

„Du bist lange auf der Flucht gewesen, mein kleines feiges Original. Umso besser, dass ich es nun zum Ende bringe."

Ohne weitere Worte hob das Ebenbild der Elfe die Hand, und entfesselte den inzwischen schmerzhaft gewohnten schwarzen Strahl auf sie. Nur knapp konnte die wahre Cheida durch eine Rolle entkommen, was den wunderbaren Nebeneffekt hatte, dass sie dadurch auch fast in Nahkampfreichweite gelangte. Zwei eher blinde Hiebe schnellten in Richtung des Schattens. Und durch ihn durch. Cheida fluchte leise. Man konnte diesen Wesen einfach keinen Schaden zufügen!

Dieser Erwartung entsprechend gingen auch die nächsten Attacken durch den Schatten hindurch, bis dieser erneut die Hand hob, und Cheida damit würgend in die Luft zog. Nun überwiegte in der blassen Elfe die Furcht. Hatte sie bereits verloren? Nur sehr wenig konnte sie nun noch retten. Röchelnd strampelte sie in der Luft herum, ließ die Waffen fallen im schwachen Versuch irgendwie ihre Kehle von dem Zauber zu befreien. Alles half nichts. Die Luft ging ihr aus, und alles verschwomm vor ihren Augen.

Dann brach der Zauber schlagartig ab. Cheida fiel zu Boden, und schnappte nach Luft. Erst nach einigen erholenden Momenten konnte sie aufsehen. Altruis schlug mit seinen Gleven nach dem Schatten… und traf. Die Schattenstellen, die sie trafen stellten sich nicht wieder her. Der Schatten kreischte ohrenbetäubend, und versuchte zu verblassen. Da traf ihn auch schon die geballte Macht von den Zaubern des alten Nachtelfen.

Cheidas Gedanken rasten. War es nicht Unrecht, dass ihr Lehrmeister ihren Schatten besiegte, und nicht sie? Und war sie ihm damit nicht viel mehr schuldig als sowieso schon? Wie auch immer, mühsam raffte sie sich auf, und suchte sich eins ihrer Schwerter. Altruis kanalisierte inzwischen einen wohl für den Schatten unglaublich schmerzhaften Zauber. Unfähig sich zu entfernen kauerte das Schattenwesen vor dem Nachtelfen, und kreischte ungebrochen weiter. Cheida war sich sicher, beinahe taub zu werden. Taumelnd trat sie neben ihren Lehrmeister, der sich nicht aus der Konzentration bringen ließ.

„Den Abschluss musst du machen."

Verwirrt sah die Elfe ihren Meister an. Abschluss? Die Frage erübrigte sich auch dann nicht, als das Kreischen plötzlich aufhörte.

„Nein! Cheida! Glaube nicht, dass dich dein Lehrmeister damit vor deinem Schicksal beschützt hat! Mein Meister wird dich vernichten! Du wirst in deinem eigenen Schatten ertrinken! Die Sonne wird sich verdunkeln!"

Der Schatten wurde zu der Wolke, aus der er jedes mal die Gestalt formte, und hüllte in sekundenschnelle Cheida ein. Die Elfe versuchte ihr Gesicht zu verhüllen, doch zu spät. Der Schatten zog in ihre Nase, in ihren Mund, in ihre Ohren und Augen. Dann war alles ruhig.

Leicht zitternd nahm Cheida die Hände vom Gesicht. Sie konnte normal sehen. Keine Augenbinde verhüllte ihre Augen, kein Zauber beschränkte ihre Sicht. Langsam ließ sie den Blick über ihre Umgebung schweifen. Sie stand in einem riesigen dämmrigen Raum, genau genommen auf einem Balkon über dem Raum. Es war stickig. Als die Elfe nach unten sah, konnte man den Boden nur erahnen. Nebelschwaden verhüllten ihn vollständig. In diesem Nebel konnte sie Bewegungen ausmachen.

„Dieser Ort ist unheimlich." murmelte sie leise.

„Dieser Ort ist mein Heim."

Erschrocken wandte sich Cheida um. Einer vermummten Gestalt war es gelungen, sich hinter sie zu schleichen. Alter Stoff, dessen ursprüngliche Farbe sich nur erahnen ließ hing vom Körper herab, der ansonsten nur rostige Rüstung und faulendes Fleisch zu bieten hatte. Eine Kapuze war über das Gesicht gezogen, die wenig Blick auf das Gesicht des Fremden einließ. Nur die gelben Augen waren klar zu sehen.

„Dieser Ort ist mein Heim, und du bist Gast hier. Kurz, aber immerhin."
„Wer seid ihr? Wo bin ich?"

Die Gestalt sah zu Boden, und atmete beängstigend langsam tief durch. Dieser Kerl, wenn man ihn noch als männlich bezeichnen konnte, war schon seit vielen Jahren tot. Bei seinem Geruch überkam Cheida ein Brechreiz, und sie war sich sicher dass sie niemals mehr sehen wollte von ihm als das was sie gerade vor sich hatte.

„Ich war der erste, weißt du? Der erste, der von dem Fluch befallen wurde, der nun einige auf eurer Welt heimsucht. Viele haben sich das Wissen aus dem Experiment… mir… zunutze gemacht. Todesritter nennen sie sich… Pah!"

Die vermummte Person spuckte eine Art schwarzen Eiter aus.

„Sie sind… nichts. Wenn sie die schrecklichen Todesritter sind, was bin ich dann? Nun, es ist egal. Sieh dir mein Reich an. Bald werdet ihr alle Teil davon sein!"

Cheida sah wieder zu dem Nebel herunter, der den Boden verhüllte. Die Bewegungen waren wirklich Wesen. Humanoide Wesen, wenn man genau hinsah.

„DAS sind die Originale?"
„Ja. Alle die von den Schatten verzehrt werden, sind hier gefangen. Um... gereinigt wieder zu gehen. Sie werden gefoltert, ihre Seelen angekettet an meinen Willen. Und dann werden sie die neuen Schatten.“
„Die neuen Schatten?"

Der tote Mann hinter ihr spuckte wieder aus. Diesmal sah Cheida beschützerisch für ihre Augen nicht hin, sondern widmete ihre volle Aufmerksamkeit der Gestalten im Nebel.

„Du weißt es recht gut. Ich bin der Erschaffer. Ich habe die ersten Dämonen gerufen, die aus dem Nether die Schatten aus den Lebenden zogen. Ein perfekter Anfang, doch es ist umständlich diese Schatten immer herauszuziehen."

Cheida durchzog eine böse Ahnung, doch sie hörte nur zu.

„Also lagerte ich die Seelen derer, die gegen die Schatten verloren haben. Hier werden sie für ihren Dienst vorbereitet. Während die dunklen Teile ihrer Seelen unter dem Taktstock der Dämonen meine Interessen verfolgen, werden die guten Teile der Seele hier so lange gepeinigt, bis sie mindestens genauso schwarz sind wie ihre Brüder."

Cheida spürte einen Schauer über ihrem Rücken, als der tote Mann näher an sie herantrat. Wie ein alter Mann stützte er sich am Geländer ab, und sah auf den Nebel herab. Unglaublich, dass dieser Kerl Herr über all die Schatten sein soll.

„Sobald ich genug neue Schatten vorbereitet habe, kann ich die Dämonen entlassen. Sie kehren dann in den Nether zurück. Ich werde mit den neuen Schatten neue Personen befallen, ihre guten Seelen hierherbringen und die schwarzen ihre Körper übernehmen lassen. Den Rest kennst du. Die Schatten werden Azeroth beherrschen."

Die Elfe hatte genug gehört. Sie griff an ihre Seiten… nur um zu merken dass sie nicht bewaffnet war.

„Was zum…?!"
Der Mann lachte dunkel, lediglich durch einen Anfall von Husten unterbrochen.

„Ich wollte, dass du es siehst, Mädchen. Nun weißt du, was auf euch alle zukommt. Ich will sehen, wie du dich vorbereitest. Ich bin ein fairer Gegner. In wenigen Augenblicken wirst du aufwachen, von deinem Schatten befreit. Frei…"

Ungläubig sah Cheida den Mann an. Er ließ sie einfach gehen, nachdem er seinen Plan dargelegt hatte? War er verrückt?

„Mobilisiere deine Leute, Cheinesse Cheida Sonnensang. Ich will, dass ihr euch ein gutes letztes Gefecht liefert. An deiner Truppe werde ich ein Exempel statuieren für ganz Azeroth!"

Wieder umschwebte Cheida dieser nervige Schatten. Sie sah kurz nur noch schwarz, bis sie in ihre altbekannte, perverse Sicht durch die Augenbinde zurückgelangte. Altruis beugte sich über sie.

„Alles in Ordnung? Du warst kurz bewusstlos."

Cheida nickte nur. Sie war hoffnungslos verwirrt, und begnügte sich deshalb auf Altruis zu starren. Dieser hatte ein leuchtendes Etwas in seiner Hand. Eine kleine Scheibe.

„Der Schatten hinterließ diese Scheibe. Ich glaube, sie enthält deine Seele die der Schatten inne hatte. Du wirst wieder vollständig werden können."

Altruis meinte wohl, ihr die perfekte Nachricht gemacht zu haben. Cheida seufzte leise, und setzte sich auf. Als Altruis ihr die Scheibe in die Hand drückte, spürte sie ein kurzes Zwicken ihren Fingern. Reagierte die Scheibe bereits mit ihrem Geist? Noch mehr unheimliches Zeug wollte sie heute eigentlich vermeiden. Aber sie war nicht so weit gekommen, um jetzt wo das Ziel so nahe war eine Pause zu machen.

„Wie nehme ich meine Seele wieder an?"
„Nun… Keine Ahnung. Drück die Scheibe einfach auf deine Brust, und entspanne dich. Das hilft fast immer."

Cheida tat wie geheißen. Auch wenn ihr Lehrmeister augenscheinlich nichts wusste, so war es doch meistens richtig was er sagte. Wieder ein Zwicken, diesmal in der Brust als die Scheibe die dortige Haut berührte. Noch ein Zwicken, dann noch eins… dann wurden es heiße Stiche in ihr Herz. Überrascht stieß Cheida die Luft aus den Lungen. Dann erfolgte der nächste Stich in das Herz. Altruis tat gar nichts, obwohl er doch sehen müsste dass seine Schülerin dort Schmerzen litt.

Wieder ein Stich. Die Schmerzen waren nahezu unerträglich. Nur mit viel Willenskraft konnte Cheida die Scheibe auf der Brust halten. Kein Blut besudelte ihren Körper, keine Wunde wurde ihm zugefügt. Die Schmerzen waren rein geistig. So musste es sich wohl anfühlen, wenn beide Teile der Seele wieder eins wurden.

Nach unzähligen weiteren Stichen hielt die Elfe es nicht mehr aus. Sie warf die Scheibe von sich, und stöhnte schmerzerfüllt auf. Altruis trat nach einiger Zeit neben sie, und kniete ruhig nieder.

„Wie hat es sich angefühlt?"

Cheida wollte ihm für diese dumme Frage eine klatschen. Er musste doch sehen, dass sie Schmerzen erlitten hatte. Die Wut verrauchte kurz darauf, als sie den neugierigen Blick ihres Meisters sah. Hatte es bereits funktioniert? Hoffnung wollte sich breitmachen, da bemerkte Cheida dann doch endlich dass sie immer noch genau so sah wie zuvor. War es bereits so zur gewohnt, dass sie wie eine Blinde umherging? Die Frage des Nachtelfen wurde bereits völlig ignoriert, als zögerlich zurückgefragt wurde.

„Was hat es bewirkt?"

Altruis verzog in schwer zu deutender Art die Miene.

„Dass du fragst bedeutet, dass du immer noch nicht frei sehen kannst. Schade. Als deine Haare blond wurden, und du etwas mehr Farbe im Gesicht hattest habe ich mir Hoffnung gemacht."

Nun doch etwas beruhigt ließ sich Cheida ins Gras zurücksinken. Es war wenigstens der erste Schritt getan. Irgendwann würde sie den Mut aufbringen, den Rest in sich aufzunehmen. Da war sie sich sicher. Altruis drückte ihr die leuchtende Scheibe in die immer noch leicht zittrige Hand, und schloss die Finger um das kostbare Objekt.

„Gib darauf Acht. Es zu verlieren wäre mehr als nur ein dummer Fehler."

Cheida nickte, dann fuhr Altruis fort.

„Wir sind immer noch nicht fertig. Aber das Training wird sich nun auf eine andere Art fortsetzen. In der Praxis. Ich folge dir nach Azeroth, und wir werden sehen wie man die restlichen Schatten vernichten kann."

Seine Worte verwunderten Cheida etwas. Das wäre das erste Mal, dass Altruis ihr nach Azeroth folgte. Wie lange war er nicht dort gewesen? Oder reiste er ständig hin und her, nur sagte ihr nichts davon? Die Gedanken strengten die Elfe an. Sie wollte sich nur noch ausruhen. Ihr Körper war durch den Schmerz taub, das Haar nassgeschwitzt und die Augen fielen vor Müdigkeit zu. Oder waren dies nur Reaktionen auf die Tat des Schattens, sie zu seinem Meister zu bringen?

Bevor Cheida diesen Gedanken weiterführen konnte, spürte sie wie sie von Altruis hochgehoben wurde. Dann schloss sie die Augen. Sie würde sich etwas Ruhe gönnen, wenn er schon auf sie Acht gab.

Aber nicht lange.




Etwas betrübt legte Cheida die alte Rüstung an, die sie vor der Ausbildung bei Altruis abgelegt hatte. Inzwischen war der Kilt samt dünner Stoffweste für sie Gewohnheit geworden. Auch wenn es oft kalt war, so war die Kleidung so praktisch und passend für jede Gelegenheit die sie sich in der letzten Zeit angetan hatte. Die Ausbildung bei dem Nachtelfen war wahrlich kein Fehler gewesen.

Doch nun war diese Zeit vorbei.

Als Cheida aus ihrem kleinen Haus in Neu Avalon trat, stand Altruis bereits mit seinem Netherdrachen zur Abreise bereit am Brunnen der einst verwüsteten Ruinen. Es war unglaublich was innerhalb weniger Wochen aus dem Ort geworden war. Jeder hatte seinen Teil beigetragen, die Umgebung etwas lebenswerter zu machen. In den restaurierten Häusern brannte wieder Licht, dank der Seuchenklärer begannen erste Blumen zu wachsen. Nur wenige Ruinen wurden so gelassen wie sie sind. Die Kaserne war eine davon. Immer noch prangten die Gerippe des Fundaments empor, wachend über die wiederbelebten Häuser.

Cheida trat zu Altruis, und verbeugte sich in altbekannter Manier. Er tat es ihr gleich, und legte dann eine letzte Tasche über den Hals des stolzen Netherdrachen. Zufrieden klopfte er sich die Hände am Kilt ab, und wandte sich seiner Schülerin dann vollends zu.

"Ihr seid sicher, dass ihr abreisen wollt, Meister? Die Einheit könnte eure Hilfe weiterhin brauchen."
"Die Einheit oder du?"

Cheida sah mit verzogener Miene weg. Sie wollte nicht, dass der Nachtelf ging. Viele hatten ihr Liebe vorgeworfen, doch das war es nicht. Er war wie ein Stab für die Ältesten, wie die Mutter für das Kind. Eine Stütze in den dunklen Zeiten. Nach einigen Momenten sah sie wieder zu dem Dämonenjäger, der sich zu einem grinsen herabgelassen hatte.

"Cheida, deine Ausbildung ist abgeschlossen. Wenn es denn je eine war, denn eigentlich diente der ganze Aufwand nur einem Ziel: Dich selbst wiederzufinden. Und das hast du."

Cheida nickte.

"Ich werde dich nicht völlig verlassen. Wir werden uns treffen. Bis dahin jedoch kann ich dir nur einen Rat geben."

Cheidas Miene erhellte sich etwas. Lektionen von ihm waren entweder schmerzhaft, oder einleuchtend. Beides hatte seine eigene Art der Befriedigung.

"Misch dich wieder unter dein Volk. So mag die Einheit dich doch sehr ausfüllen, so darf sie doch nie dein Herz besitzen. Führ es als ein Leben unter dem Deckmantel eines anderen."

Cheida musste nachdenken, das wusste sie. Seine Worte schienen mal wieder schwerwiegend, und das musste sie erst einmal verdauen. Sie sah dem Nachtelfen zu, wie er auf seinen Netherdrachen stieg und ihr noch einmal zuwinkte.

"Ich habe verstanden, Meister."
"Nein, hast du nicht. Ich werde nach Schatten suchen, die eine Abreibung nötig haben. Wir sehen uns wieder, Cheinesse Sonnensang."

Mit diesen Worten hob er ab. Innerhalb von Sekunden fuhr der Netherdrache zu Höchstleistung auf, und stürmte im Affenzahn in den Himmel davon. Zhynnios erreichte solche Geschwindigkeiten nicht. Ob es daran lag ob ihr Gefährte zu faul oder zu untalentiert war vermochte die Elfe nicht zu sagen.

Genau als sie den Gedanken beiseite schieben wollte landete eine blutige tote Eulenbestie neben Cheida auf dem gepflasterten Weg. Zhynnios landete direkt hinterher.

"Brahrrr... Futter! Was hast du nur für eigenartige Wesen auf deiner Welt! Widerlich!"

Zhynnios spuckte einige Federn in Cheidas Richtung. Sie konnte es sich nicht verkneifen zu grinsen. Der stolze Drache war wirklich ein sympathischer Kerl. Ein guter Freund.

"Ich würde dieses Vieh auch nicht essen, Großer. Hast du etwas herausgefunden?"
"Nein."

Cheidas Miene verfinsterte sich bei der Antwort. Beide wussten worum es ging, aber keiner sprach es aus. Marielle war schon seit viel zu langer Zeit verschwunden. Wenn das Kind noch lebte war es ein großes Glück.

"Konntest du Raxelle abfangen?"
"Ja, ich war aber mal wieder zu ungeduldig. Ich weiß nicht mehr, außer dass das Einauge DOCH treffen kann."

Zhynnios schnaubte deutlich hörbar, und stupste ihre Schulter mit der Schnauze an.

"Wir finden sie, Futter. Irgendwie. Und Raxelle nehme ich danach als Nachtisch. Ich mag den Geschmack von Elfenblut."
"Wann hast du denn mal Elfen gefressen?"
"Ich erzähle dir besser nichts über meine Geburt in Nethersturm. Ich sage dir... dort gab es Elfenfrauen, die sich solche pelzigen Katzenohren aufgesetzt haben. Die meinten sie wären Katzenelfen oder so ähnlich. Aber sie schmecken gar nicht wie Katzen! Betrug sag ich dir!"

Cheida musste lachen. Solche Geschichten kannte sie nur zu gut. Aber ohne weiter darauf einzugehen ging sie in Richtung Kapelle. Zhynnios folgte ihr zischend lachtend.

Es gab viel zu tun.
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