Nar Shadda, der Schmugglermond. Der leibhaftige Beweis aus Beton und Durastahl, dass nichts im Umkreis von Nal Hutta unschuldig blieb. Hinter der leuchtenden Fassade lebte eine Gesellschaft, bei der man so ziemlich alles los werden konnte. Credits, Stolz, wenn es ganz ungünstig lief sogar noch viel mehr. Dann landete man nämlich in den Tiefen des Mondes, weit unterhalb der grellen Promenaden und Kasinos. In den Häuserschluchten war es dunkel, Anarchie herrschte, wenn die großen Verbrecherorganisationen nicht alles unter ihren gierigen Händen beherrschten.
Und selbst dann galt vor allem eine Regel: Der skrupelloseste gewann.
Lyth saß auf der Fahrerseite eines pink lackierten Speeders ohne Überdachung. Außer den beiden Frontlichtern gab es kaum Licht in der näheren Umgebung, die nächste Lichtquelle befand sich am Ende der runden Plattform, welche durch einen langen Steg mit dem Hauptquartier der Exchange in diesem Sektor verbunden wurde. Am Eingang eben dieses Hauptquartiers.
Eigentlich war es gar nicht das alleinige Gebäude der Exchange. Auf Nar Shadda wurden die kilometerhohen Gebäude in Abschnitte unterteilt, um so viele verschiedene Gestalten wie möglich beherbergen zu können.
Lyth wartete derzeit ungefähr auf der halben Höhe des Gebäudes, wo die Fassaden durch das kaum noch zu erkennende Licht der oberen Sektoren grau erschienen. Unter ihr wurde es nur noch dunkler, weiter oben wurde das grau... Etwas heller. Dies war gleichzeitig ein guter Indikator dafür, wie wohlhabend und "wichtig" die Organisationen und Einwohner der Gebäude waren. Je höher, desto besser.
Dezent gelangweilt seufzte die Chiss, ordnete gerade einen winzig kleinen Haufen T'bak in ein Röllchen ein. Routiniert befeuchtete sie ihr Werk mit der Zunge, rollte es zusammen und drehte das eine Ende mit zwei Fingern ein wenig zusammen. Dann zündete sie das Röllchen an, setzte den Glimmstängel an die Lippen und nahm einen tiefen Zug.
Während sie den wunderbaren weißen Rauch inhalierte, konnte Lyth nicht umher sich über den Geschmack von Marielle zu wundern. Einen Speeder konnte man in vielen Farben fahren, ohne sich dafür schämen zu müssen.
Pink gehörte nicht zu diesen Farben. Es war pure Provokation. Genauso wie das dunkelblaue Kleid, welches die Doktorin ihr aufgeschwatzt hatte. Es ging bis zu den Knien, und wenn man nur einen flüchtigen Blick riskierte konnte man glatt denken, die blauhäutige Chiss wäre nackt aufgekreuzt.
Sobald Marielle fertig, und sie beide wieder in ihrem Apartment waren würde Lyth wieder ihre Uniform anziehen. Die weiße. Das beschloss sie mit einem zufriedenen Nicken, zog nochmals an ihrem Glimmstängel, ehe das Klacken von Marielles Schuhen ihre Aufmerksamkeit auf den Eingang des Gebäudes lenkte.
Die Doktorin kam gerade durch den Türrahmen gestürmt, wenn man das überhaupt noch stürmen nennen konnte. Ihr Kleid, im knalligen gelb gehalten, ging nämlich bis zu den Knöcheln und war ziemlich eng geschnitten. Das, im Verbund mit den hohen Absätzen ihrer Schuhe, ließ ihren Lauf ein wenig affig aussehen. Bevor Lyth jedoch ob dieses Anblicks lachen konnte sah sie die beiden Kerle, die Marielle dicht auf den Fersen waren.
Nicht zwei... vier. Fünf. Sieben. Acht...
Lyth hörte auf zu zählen, schnippte ihre Zigarette in den Abgrund der Schlucht und ließ den Speeder anspringen. Das pinke Gefährt schnurrte wie ein kleines Kätzchen. Just als Marielle sich auf den Beifahrersiitz geschwungen hatte ließ die Chiss die Triebwerke aufjaulen, und den Speeder aufsteigen. Der Fahrtwind trieb Lyth das dunkle Haar aus dem Gesicht und bescherte blendende Sicht in die Dunkelheit der Häuserschluchten, welche lediglich von den Frontlichtern erhellt wurde.
"Die Verhandlungen liefen wohl nicht so." bemerkte sie eher beiläufig. Marielle grinste sie von der Seite an.
"Oh doch, die waren großartig. Es gefiel ihnen nur nicht, als ein paar Creditchips fehlten."
"Du bist hier, um Lord Vhems Netzwerk am Laufen zu halten, nicht um es zu verbrennen."
"So etwas gehört zum Geschäft, ich bin keine Anfängerin. Und jetzt fahr, sie sind dicht hinter uns."
Lyth brauchte nicht einmal über die Schulter zu schauen, um zu wissen dass sie drei andere Speeder verfolgten. Die Lichtkegeln der Fahrzeuge gaben schon genug Aufschluss. In die oberen Bereiche zu fliegen war damit keine Option mehr. Zu viel ungewollte Aufmerksamkeit. Also steuerte Lyth in Richtung der Industriebereiche.
"Hoffentlich kennen die sich hier genauso wenig aus wie wir, sonst sind wir geliefert." murmelte die Chiss, als sie in den rötlichen Rauch eintauchten, der in den Schluchten der Industriesektoren vorherrschte. Es wurde immer heißer, je tiefer sie den Speeder in die Schluchten lenkte. Dafür gelangten sie jedoch effektiv außerhalb der Sicht ihrer Verfolger.
"Komm doch mal zu mir nach Nar Shadda, hat sie gesagt. Mach ein bisschen Urlaub mit mir, hat sie gesagt. Lass uns etwas Spaß haben, hat sie gesagt." Marielle sah sie etwas belämmert an, während Lyth die ganzen Sprüche aufzählte, wegen denen sie schlussendlich überhaupt in diese Lage gekommen war.
"Jetzt sag bloß nicht, du verstehst Urlaub anders als ich. Das hier ist das Paradies, blaues Mädchen. Entspann dich, und... PASS AUF!"
Ganz knapp konnte Lyth dem Stützpfeiler ausweichen, der wie aus dem Nichts aus dem Rauch erschien, indem sie das Rad ruckartig herumriss.
"Das geht kein zweites Mal gut."
Mit diesen Worten lenkte die Chiss den pinken Speeder hoch, bis der Rauch sich wieder etwas lichtete. Auf dieser Höhe konnte man die hellen Lichter der Promenaden erkennen, die sich gar nicht mehr so weit entfernt befanden. Die Hitze des Industriesektors wich und ließ Lyth die Schweißtropfen auf der Stirn spüren. In Momenten wie diesen sehnte sie sich nach den wesentlich angenehmeren Temperaturen von Csilla, oder auch Hoth.
Hoth... Vielleicht sollte sie sich irgendwann einmal dorthin versetzen lassen. Natürlich würde sie niemals die Gelegenheit dazu bekommen, solange sie in Diensten von Darth Vhem stand.
Aber man durfte ja träumen...
Genau diese Träumereien hätten Lyth beinahe das Leben gekostet. Einer ihrer Verfolger hatte die Fährte offenbar nicht verloren, und wäre beinahe frontal mit ihnen zusammengekracht. In letzter Sekunde konnte die Chiss den Speeder wieder herunterreißen, wobei sie genau darauf achtete, nicht wieder in den Rauch abzutauchen.
Marielle drehte sich auf ihrem Beifahrersitz um, kniete sich auf das Polster. Lyths rote Augen weiteten sich, als sie zu ihrer Partnerin sah.
"Wo hast du den jetzt auf einmal her?!" fragte sie, und bezog sich damit auf den Raketenwerfer, welchen Marielle auf ihrer Schulter stützte.
"Unterm Sitz. Halt das Ding gerade, ich muss zielen."
Aus dem Verfolgerspeeder lehnte sich einer der Männer heraus, zielte mit seiner Blasterpistole auf die Triebwerke des pinken Objekts der Begierde. Rotes Blasterfeuer zischte stellenweise nur knapp an Lyths Kopf vorbei.
"Ruhiger!"
"Das sagst du so leicht!"
Trotzdem bemühte sie sich, den Speeder ruhig zu halten. Marielle murmelte leise, mit einem hellen Fauchen zischte die Rakete aus ihrer Halterung, jagte mit einer weißen Rauchspur los, nur um Sekunden später an der Fassade von einem der Hochhäuser zu explodieren.
"Ups."
"UPS?!"
"Halt die Klappe und fahr!"
Knurrend lenkte Lyth steil nach oben. Große Alternativen gab es nicht mehr, da die Verfolger bei der Jagd durch die tieferen Häuserschluchten zu schnell aufholten. Scheinbar kannten sie sich doch besser aus. Zwischen den Luftstraßen der hell erleuchteten obersten Bereiche hindurch sausten sie in Richtung des ungesunden rotgrünen Himmels, bis die Stabilisatoren des Speeders schlapp machten. Sich die Fallgeschwindigkeit zu Nutze machend ließ Lyth das Fahrzeug in einen spiralförmigen Absturz gleiten mit dem Ziel, wieder in den Häuserschluchten zu verschwinden.
Leider sprang mitten im Absturz ein dreiviertel der Anzeigen auf auf Rot, und damit auf "Ungut" um.
"Wir sind getroffen. Wie kann man nur so ein Glück haben?" Den Fluch auf der Zunge verkniff sich Lyth und tat lieber alles mögliche, um doch noch Kontrolle über den Speeder zu erlangen. Erfolglos. Sie steuerten im unkontrollierten Sturz auf die größte Promenade über den Schluchten zu.
"Festhalten!"
Die Zeltdächer auf der Promenade vermochten es kaum, den abstürzenden Speeder in irgendeiner Form aufzuhalten. Ungebremste krachte das Fahrzeug auf die Terrasse, überschlug sich einmal selbst und kam schließlich zum Stehen, auf seinem Weg noch eifrig Funkend über den Boden jagend.
Lyth stöhnte benommen, und wäre am liebsten einfach sitzen geblieben. Doch der Hintergedanke, dass ihre Verfolger sich damit nicht zufrieden geben würden, ließ sie dann doch die rot leuchtenden Augen öffnen. Sie konnte es gar nicht fassen, dass sie überhaupt noch am Leben war, geschweige denn dass sie lediglich eine Platzwunde an der Stirn davongetragen hatte. Ein kurzer kontrollierender Blick zu Marielle bestätigte, dass die Beifahrerin ebenfalls verdammtes Glück gehabt hatte.
"Schnell." sprach Lyth, drückte wuchtig die eingebeulte Fahrertür auf und fiel beinahe hin, als sie den pinken Schrottspeeder verließ. "... wenn wir uns beeilen können wir noch irgendwie untertauchen und..."
Der Blasterlauf zwischen ihren Augen machte Lyths Hoffnungen zunichte. Entweder, sie war doch ohnmächtig geworden, oder sie war einfach zu benommen gewesen, um die HuttSec zu bemerken, die das Wrack von einem Speeder bereits umstellt hatte. Schätzungsweise ein Dutzend Blastergewehre waren auf sie und Marielle gerichtet, die sich humpelnd neben der Chiss aufstellte. Ein kurzes, aufforderndes Bewegen des Blasters direkt vor ihnen, welcher von einem schmächtigen Rodianer gehalten wurde, ließ Lyth seufzend die Hände heben.
"Klasse. Wirklich." zischte sie Marielle zu.
"Tu nicht so als wäre es meine Schuld."
"Es IST deine..."
Lyths Hinterkopf wurde grob von einem Knüppel massiert. Alles wurde schwarz, als sie zusammenklappte.