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 [WoW] Nathleen - Der Umgang mit Leben und Tod

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LeKüken
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BeitragThema: [WoW] Nathleen - Der Umgang mit Leben und Tod   [WoW] Nathleen - Der Umgang mit Leben und Tod EmptyDi 2 Jun - 9:34

Vor dem Fall des Lichkönigs
14:31 Uhr – Heulender Fjord



Lebende waren immer gleich.

Es machte keinen Unterschied ob es Menschen waren, Zwerge, Orcs, Vrykul oder Trolle. Sie alle waren auf die ein oder andere Art reizbar und ließen sich darum – einen entsprechend kühlen Kopf vorausgesetzt – spielend leicht manipulieren. Manchen nahm man Hab und Gut weg, anderen stellte man selbiges in Aussicht. Wieder andere waren derart altruistisch veranlagt, dass sie schlichtweg alles für einen Freund oder auch nur Verbündeten in Not tun würden. Ganz zu schweigen von dem Beschützerinstinkt, wenn es um Familie und das eigene Zuhause ging.

Ein solches Zuhause sah Nathleen Anion gerade um sich herum niederbrennen. Genau genommen Skolngrad, die Heimat von Jarl Dahlgrum dem Zerhacker. Die primitiven, schiffsähnlichen Behausungen standen in Flammen, ihre überdimensionalen Einwohner lagen tot – stellenweise verstümmelt – auf den Trampelpfaden und dem Sammelplatz in der Mitte, den Boden mit ihrem Blut tränkend. Männer, Frauen… und Kinder. Als Untote hatte Nathleen schon lange mit dem Gedanken, es gäbe so etwas wie Unschuldige im Krieg, abgeschlossen. Für sie gab es, wie für die meisten anderen Verlassenen auch, nur den Feind. Wenn etwas nicht feindlich gesonnen war, dann war es ein Werkzeug. Die Horde zum Beispiel. Oder eben Kinder, die sich nicht ernsthaft zur Wehr setzen konnten und gleichzeitig die beste Waffe gegen ihre Eltern darstellten. Dementsprechend hatte die dunkle Waldläuferin mit keiner Wimper gezuckt, als sie ihren Brüdern und Schwestern den Befehl gab, niemanden am Leben zu lassen.

Niemanden, außer den Säugling des Jarls selbst. Dieser fand auf Nathleens Schoß Platz, während sie auf dem Rand der erhöhten Feuerstelle saß, die das Zentrum des Sammelplatzes von Skolngrad markierte. Sie konnte sich vorstellen, wie das Feuer brannte und die Gestalt des Jarls in Schatten tauchte, während er eine flammende Rede zum Ruhm des „Todesgottes“ hielt. Nach dem heutigen Tag würde diese Feuerstelle niemals wieder brennen, ein weiteres erloschenes Licht der Unterstützung für den Lichkönig.
Der Gedanke zierte ein Lächeln auf Nathleens Lippen, das jedoch bald wieder einen Abbruch fand. Der Säugling wollte nicht aufhören zu plärren. Sein Bewusstsein war zweifellos noch unterentwickelt, kaum mehr wert als das eines Tieres, welches den Untod aus purem Instinkt scheute. Auch Jahre nach ihrem Tod waren Nathleens spitze Ohren, die aus ihrer schwarzen Kapuze herausragten, sehr empfindlich und nahmen das Heulen des Kindes als unheimliche Belästigung wahr. Dies ging sogar so weit, dass sie trotz ihrer todbedingten Geduld mit dem Gedanken spielte, dem Säugling das Genick zu brechen.

Hohles Durchatmen machte der Idee jedoch vorzeitig ein Ende. Dieses vollgekackte Bündel Leben hatte noch eine Rolle zu spielen. Eine kleine, aber dennoch unverzichtbar wichtige für die reibungslose Durchführung des Plans, dem Skolngrad bereits zum Opfer fiel. Stunden zogen ins Land, in denen die Vrykul-Behausungen zu Gerippen herunter brannten. Ein rauer Wind zog von der Küste her auf, trieb den Rauch gen Osten und brachte den umliegenden Wald zum Rauschen und Wispern. Nachdem Nathleen über die ganze Zeit absolut regungslos bei der Feuerstelle saß, wurde auch der Säugling irgendwann müde von seinem Geschrei und winselte nur noch ab und zu. Eine Erleichterung für die Ohren der untoten Elfe, die sich erst wieder spitzten, als das ersehnte schwere Schlagen von Schwingen zu hören war.

Nathleen stand auf. Über den Baumkronen waren in östlicher Richtung mehrere Schatten zu erkennen, die rasch näher kamen, den dichten Rauch niederschlugen und zur Landung zwischen den Überresten Skolngrads ansetzten. Protodrachen in roter Färbung, geritten von Vrykul in schwarzer Rüstung, die von niemand geringerem als dem Zerhacker selbst angeführt wurden. Damit war der Plan für Nathleen bereits ein voller Erfolg gewesen, denn seit Anbeginn des Krieges gegen die Geißel zeigten sich die Jarls nur noch selten außerhalb von Festung Utgarde, die mittig im Fjord das uneinnehmbare Machtzentrum der Vrykul darstellte. Um einen Angriff zu platzieren, musste man sie also entsprechend reizen, den Schutz ihrer Festung zu verlassen.

Als die Protodrachen landeten, erzeugten sie einen strengen Luftzug, der an Nathleens Umhang zerrte. Sie veränderte ihre Haltung, hielt den unsichtbaren Kräften aus Wind und Staub stand und hielt den Säugling gut sichtbar am Hinterkopf hoch, was ihn wieder zum vernehmlichen Wimmern brachte. Mit kräftigen Zügeln bändigten die Vrykul ihre Drachen, die ansonsten sicherlich nicht damit gezögert hätten, die tote Elfe anzufallen und unsauber unter ihren Mäulern aufzuteilen. Ebendiese Elfe fokussierte ihre Aufmerksamkeit allerdings nur auf den Jarl, der mit seinem Protodrachen ganz vorne gelandet war und sie unter seinem Helm mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit wutverzerrt ansah.

Seine Stimme war wie ein Donner, der durch die Ruinen Skolngrads hallte und Nathleens Ohren empfindlich zucken ließ.
„Du hast Eier, Leichenweib, dass du dem Zerhacker nach deinen Taten gegenüberstehst. Doch meine sind größer. Ich werde es genießen dich zu zerquetschen und deine Seele dem Todesgott zu opfern!“

Demonstrativ unbeeindruckt schüttelte die Untote den Säugling in ihrer Hand. Sein kraftloser Körber wackelte auf die Bewegungen des Kopfes hin wie der einer Puppe. Der mangelnde Komfort brachte einen nunmehr heiseren Schrei aus der jungen Kehle heraus.
„Tretet mir gegenüber, Jarl.“ Nathleen brüllte diese Worte nicht, sondern sprach sie gerade mal so laut aus, dass der Jarl sie vernehmen konnte. Sie stellte sich sein leises Knurren vor, während er vom Sattel abstieg und dumpf auf dem Boden neben seinem Drachen aufkam. Dieser blieb erstaunlich gehorsam zurück, nachdem Nathleen schon halb davon ausgegangen war, dass er sich ohne seinen Reiter sofort auf sie stürzen würde. Stattdessen war es nur der Jarl, der sie um mindestens eine Körpergröße überragte und mit schweren Schritten näherkam.

„Das ist weit genug.“ Nun war Dahlgrums Knurren deutlich zu hören, als er der Anweisung der dunklen Waldläuferin ein weiteres Mal gehorchen musste. Seinen Sohn hatte er beständig im Blick, genauso wie sein schwarzgewandetes Feindbild. Das war gut. Nathleen wollte, dass er die nächsten Augenblicke im vollen Detail miterlebte.

Sie zog einen Dolch aus seiner Halterung hervor, legte ihn in einer fließenden Bewegung an der Kehle des Säuglings an und schnitt diese ohne großes Theater durch. Der Junge quiekte einmal laut, bevor er nur noch zu gurgelnden Lauten fähig war, während sich helles Blut aus seinem Hals befreite und sowohl ihn als auch sein Froststoffbündel ertränkte. Nathleen warf dem Vater seinen sterbenden Sohn vor die Füße und ließ den Dolch in ihrer Hand kreisen, jede Sekunde aufnehmend, in dem sie der Haltung des Jarls sein Entsetzen und die unendliche Qual ablesen konnte.
Sie grinste, um die Provokation perfekt zu machen.

„DON GRAVUL VURTAH!“ Ein gebrüllter Fluch in einer Sprache, die Nathleen nicht verstand. Dahlgrum zog seine Axt vom Rücken und stürmte auf sie zu. In drei Schritten wäre es ihm problemlos gelungen, zu ihr aufzuschließen und den Kopf von ihren Schultern zu trennen. Doch schon nach einem schnappte die sorgsam gestellte Falle zu. Ein Seuchenbehälter, vergraben unter aufgewühlter Erde, explodierte und warf den Jarl zurück. Tödlicher grüner Nebel breitete sich in der Umgebung aus, sprengte den Rahmen dessen, was die Protodrachen der Vrykul zu ertragen bereit waren. Brüllend stiegen sie entgegen der Befehle ihrer Reiter in die Luft auf, um dem ätzenden Gestank zu entgehen.

„Feuer!“ Die hallende Stimme von Melvelith El’Thanas stand jener des Jarls in nichts nach, als sie die Verlassenen aus ihren Verstecken und zum Angriff rief. Pfeile und Armbrustbolzen stiegen in die Luft, verfolgten die Protodrachen und bohrten sich in ihre dicke Drachenhaut. Einige Drachen fielen schon wieder zu Boden, bevor sie überhaupt die Höhe der Baumkronen erreichen konnten. Die anderen gingen in einen verzweifelten Angriff über, womit der Punkt erreicht war, an dem selbst die beste Planung versagte. Vielleicht war es die einzige Schwäche des Untodes, das Gefühl jenseits der Logik nicht mehr zu verspüren. Zumindest Nathleen konnte nicht einschätzen, wann ein Lebender sich demoralisiert zurückzog, und wann er sich ein Herz fasste, um dem Angesicht des Todes zu trotzen.

Als die drei überlebenden Protodrachen getrieben von ihren Reitern flammende Atemzüge über die Ruinen von Skolngrad spien wusste die untote Elfe jedoch, dass sie in diesem Punkt auf das falsche Pferd gesetzt hatte.
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